Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

irgendeinen scheußlichen Fraß gegessen und mußte mich immerzu übergeben in der ersten Nacht, die wir draußen waren.
    – Daran kann ich mich nicht erinnern, sagte er und grinste ein bißchen.
    Er schien ein sehr anständiger Kerl zu sein. Ich hatte das komische Gefühl, er habe mich sehr viel genauer in Erinnerung als ich ihn. Oder er interessiere sich überhaupt viel mehr für mich, als ich mich für ihn interessierte. Saß er nicht da und beobachtete mich ein wenig?
    – Wie ist es denn im Ministerium für Raumordnung?
    – Ziemlich still, sagte ich. Ich bin ja jetzt vor allem mit dieser Untersuchung beschäftigt. Wir werden wohl noch im Frühjahr einen Bericht herausbringen.
    – Ich habe davon gehört. Mußt du noch viel daran tun?
    – Nein, überhaupt nicht. Ich bin fast fertig. Die Frage ist nur, wieviel sie davon haben wollen.
    Ich begann ernstlich zu überlegen, ob er mich aus Höflichkeit fragte oder wirklich aus Neugier.
    – Also gut, ich will gleich zur Sache kommen, da ich ja versprochen habe, daß es nicht lange dauern wird.
    Er bot mir eine Zigarette aus einem kleinen, sehr verbeulten Päckchen Commerce Filter an. Meine Zigarette hatte fast die Form eines S, aber das schien er überhaupt nicht zu bemerken.
    – Es ist so: Wir suchen einen Mann für einen bestimmten Posten. Und zwar brauchen wir eine absolute Spitzenkraft. Er muß bereit sein, sehr hart zu arbeiten, und wird trotzdem in der Öffentlichkeit kaum in Erscheinung treten. Um ihn dafür zu entschädigen, haben wir uns gedacht, daß die Stelle gut dotiert sein sollte. Wir denken so etwa an eine Einstufung nach B 3 .
    Aber das ist dir vielleicht gar nicht so wichtig – ich hatte den Eindruck, daß er mich wieder ein bißchen aufs Korn nahm.
    – Entscheidend ist ja, ob es eine interessante Arbeit ist, sagte ich.
    – Das ist es ganz bestimmt.
    – Und worum geht es dabei?
    – Das Ganze ist ein bißchen heikel, und ich wollte nur mal vorfühlen, ob du daran interessiert wärst, die Planungsarbeit aufzugeben. Soviel kann ich wohl schon sagen, daß es sich um eine Institution für Probleme des Umweltschutzes handelt, also Umweltschutz auf höchster Ebene in einem ganz allgemeinen Sinn.
    – Wir sollen doch ein Ministerium für Umweltschutz bekommen.
    – Ich muß dich leider enttäuschen, aber das ist nicht ganz dasselbe. Hier geht es um eine Kommission mit besonderen Aufgaben, und nun muß jemand für den Posten des Generaldirektors gefunden werden, der sie leistungsfähig macht. Verdammt leistungsfähig.
    – Wie soll sie denn heißen?
    – Es gibt sie bereits. Sie soll jetzt nur neu organisiert und zu einer festen Einrichtung gemacht werden. Wir nennen sie KBU, Kommission für Besondere Umweltprobleme.
    – Davon habe ich noch nie etwas gehört.
    – Das wundert mich nicht, denn in der Regierungsvorlage läuft sie unter Sondervorhaben .
    – Na sowas. Sie hat also irgendwas mit der Gesamtverteidigung zu tun?
    – Weißt du, so wie wir hier sitzen, sind mir die Hände gebunden, ich kann dir nicht allzu viele Informationen geben, bevor ich nicht weiß, wie du dazu stehst, und bevor der Minister nicht mit dir geredet hat. Aber soviel kann ich dir wohl schon sagen, daß sie nicht der Gesamtverteidigung angegliedert ist. Sie hat nichts mit Kriegssituationen zu tun, oder jedenfalls nur sehr indirekt. Hier im Innenministerium zählt sie zu den Sondervorhaben.
    Damit hat es nichts Besonderes auf sich. Man könnte sagen, daß sie ein Ergebnis der Umweltdiskussion ist, aber auf etwas höherer Ebene. Sie ist eine Krisenkommission mit der Aufgabe, bei Umweltkatastrophen einzuschreiten, vor allem aber, sie zu verhüten.
    – Daß sie so geheim ist, liegt also daran, daß sie Panikreaktionen verhindern soll, sagte ich beflissen. Ich könnte mir vorstellen, daß plötzlich irgendein wirklich gefährliches Umweltgift in die Milch der Molkereizentrale gerät, etwas, das die Leute lähmt oder sie für immer erblinden läßt. Dann würde natürlich eine infernalische Panik ausbrechen.
    – Du hast es ganz richtig verstanden.
    – Das scheint eine enorm viel sinnvollere Arbeit zu sein als die, die ich jetzt mache. An der Verhütung von Umweltkatastrophen beteiligt zu sein.
    – Du hast also verstanden, wie wichtig es ist, daß eine solche Kommission nicht gerade in den Zeitungen angepriesen wird?
    – Natürlich.
    – Tatsächlich sind die Geheimhaltungsvorschriften sehr streng. Du wirst dich in keinem öffentlichen Zusammenhang darauf beziehen können.