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Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Titel: Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Gustafsson
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weit ist es verbreitet?
    – Das weiß bis jetzt noch niemand. Vielleicht sind es nur vereinzelte Erscheinungen, vielleicht greift es schon um sich. Mach bitte das Licht an.
    Er nahm den Film aus dem Projektor.
    – Wir wissen nichts darüber, wie verbreitet es ist. Um das herauszufinden, wäre eine globale Anstrengung nötig, vielleicht durch die UNO. Der Internationale Wildschutzfonds weiß vermutlich Bescheid, veröffentlicht aber keine Zeile darüber. Es war nicht leicht, die Erlaubnis zu bekommen, diesen australischen Film zu machen, kann ich dir sagen.
    Die Wahrheit ist ganz einfach, daß niemand irgend etwas darüber veröffentlicht, außer in der Form von hektographierten Berichten, die in den Instituten kursieren und auch gelesen werden, aber ohne jeden öffentlichen Kommentar. Wie häufig es vorkommt, weiß ich also nicht. Es kann etwas Vorübergehendes sein, es können Umweltgifte sein, die in einer so kleinen Dosis auftreten, daß die üblichen Methoden nicht ausreichen, um sie nachzuweisen.
    – Aber was um Himmels willen ist es denn?
    – Es gibt da gewisse Theorien. Seit fünf, sechs Jahren sind wir dabei, auf entscheidende Weise in das ökologische Gleichgewicht einzugreifen. Denk doch nur daran, was zum Beispiel mit Mato Grosso passiert. Was der Straßenbau im Dschungel nicht zerstört, wird einfach niedergebrannt. Oder denk an das Wachstum der Städte. Die ganze Tokio-Bucht ist eingerahmt von städtischer Besiedlung, sie wird immer mehr mit Erde gefüllt und wird zum Festland. Die einzigen Gebiete in den USA, wo der Schwefelgehalt der Luft noch niedrig ist, sind Texas und Arizona. Es gibt Tage, an denen die Verschmutzung trotzdem von den Winden heruntergetragen wird, den ganzen Weg von der amerikanischen Ostküste bis nach Yucatan. Oder in kleinerem Rahmen: Nimm die Kahlschläge im nördlichen Värmland und in Dalarna. Sie verändern die Landschaft nach und nach, geben ihr ein Aussehen, das sie in den letzten zehntausend Jahren nicht gehabt hat.
    Die Natur beginnt zu reagieren. Und sie weiß ebensowenig wie wir, wie sie eigentlich reagieren soll. Vergiß nicht, daß du genausowenig Ahnung hast wie ein Eichhörnchen, wohin die Biosphäre eigentlich unterwegs ist, worauf sie hinauswill. Wir wissen kaum mehr als die Fliegen darüber, in welchem gewaltigen evolutionären Zusammenhang wir eigentlich stehen. Die Natur weiß es ebensowenig wie wir, aber sie reagiert. Diese Tiere sind dabei, ihr Verhalten zu ändern. Das liegt entweder daran, daß sie völlig inadäquate Verhaltensmuster entwickeln, weil sich keins von den üblichen als tauglich erwiesen hat, oder aber sie befinden sich in irgendeinem genetischen Umbruch. Das ist vielleicht dasselbe. Vielleicht laufen sie ganz einfach nicht mehr davon, weil sie aufgegeben haben.
    – Schrecklich.
    – Ja. Und das Schrecklichste bleibt noch abzuwarten.
    – Was denn?
    – Ob es auf die Menschen übergreifen wird. Ob auch sie völlig inadäquate Verhaltensmuster entwickeln werden. Verstehst du, es sind ungeheuerliche Dinge, die uns hier drohen, so groß, daß keine Regierung auch nur wagen kann, daran zu denken, so beängstigend, daß auch keine Feuerwehrkommission damit fertig werden kann.
     
    Ich überlegte. Es gab natürlich eine kleine Möglichkeit, daß dieser Bursche ganz einfach ein Phantast war. Bei manchen von diesen Wissenschaftlern ist die Grenze ziemlich fließend, das hatte ich in der Zeit gelernt, als ich im Auftrag des Ministeriums für Raumordnung alle möglichen futurologischen Seminare besuchte. Es gab Leute, die als Phantasten Karriere machten, nicht zuletzt an den amerikanischen Universitäten.
    – Du meinst also, daß du im großen und ganzen einfach nicht weißt, wie ernst die Sache ist?
    – Ja, alles hängt davon ab, in welchen zeitlichen Dimensionen wir uns bewegen. Soll die KBU zehn Jahre in die Zukunft sehen oder dreißig Jahre? Bei einer Perspektive von zehn Jahren ist dies ein rein akademisches Problem, es handelt sich um sehr geringfügige marginale Störungen, die nur eine kleine Gruppe von Ökologen in aller Welt interessieren kann. Bei zwanzig Jahren sieht es verdammt ernst aus, und in dreißig Jahren muß irgendwas geschehen.
    – Und wie willst du das Problem angehen?
    – Zuerst einmal muß man Material sammeln. Schon das ist ziemlich schwierig. Wie ich schon sagte, gibt es Dinge, die nicht in die offiziellen Forschungsberichte aufgenommen werden, Dinge, über die auf den internationalen Konferenzen viel geredet wird,

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