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Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Titel: Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Gustafsson
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DEM DÜSTEREN MARSCH .
    – Doch, sagte ich. Eigentlich verstehe ich sehr gut, was du meinst. Aber einer Sache solltest du dir nicht so verdammt sicher sein.
    – Und das wäre?
    – Daß er es ist, der allmählich verrückt wird.
    Sie zuckte zusammen, fast als hätte ich ihr eine Ohrfeige gegeben. Sie ging langsamer, den Kopf ein bißchen vorgebeugt. Einen Augenblick hatte sie etwas von einem düsteren alten Weib, etwas, das ich noch nie gesehen hatte und das einen ungeheuren Kontrast zu ihrer gewöhnlichen Haltung der schönen, selbstbewußten und stolzen berufstätigen Frau bildete.
    – Du meinst, nein, das meinst du nicht. Warum sagst du so etwas?
    – Weil ich mich selbst ganz gut kenne.
    Das alte Weib, das völlig fremde alte Weib, ging eine Weile schweigend neben mir her.
    – Wir pfeifen auf die Sache mit der Wurstbude. Ich kenne hier in der Nähe ein Lokal. Da gibt es Selbstbedienung.
    Sie sah mich von der Seite an, überraschend kühl.
    – Ich möchte nicht, daß du so etwas noch einmal sagst, sagte sie. Jetzt nehmen wir uns irgendwo ein Hotelzimmer.
     
    Als ich gegen halb neun nach Hause kam, waren die Kinder schon im Bett. Siskan, ungewöhnlich schick in irgendeinem Strickkleid, blätterte in Broschüren. Das Fernsehen redete gedämpft über die Lage im Sudan. Die Lage im Sudan war offenbar katastrophal. Wir alle müßten einsehen, wie gut es uns gehe im Vergleich mit dem Sudan. Auch darauf wies das Fernsehen hin.
    – Was hast du da für Broschüren?
    – Ich möchte an der Uni einen Grundkurs in Psychologie besuchen.
    – Prima!
    – Ich weiß nur nicht, was sich daraus machen läßt.
    – Du kannst doch ein richtiges Examen machen, zum Kuckuck. Die Kinder werden ja älter. Das ist eine hervorragende Idee. Ich werde versuchen, mir so viele Abende wie möglich freizuhalten, damit ich für dich auf die Kinder aufpassen kann.
    – Das ist aber lieb von dir!
    – Also weißt du, das ist doch gar nichts. Es gibt niemand, den ich so sehr vernachlässige wie dich. Ich schäme mich über mich selbst.
    – Aber du hast doch jetzt soviel am Hals.
    Sonderbar: Da saßen wir einfach und hatten einander gern, und ich glaube, es war ein vollkommen aufrichtiges Gefühl.
    Um halb zehn klingelte das Telefon. Es war Professor Johansson. Ich war so guter Stinunung, wie ich es schon lange nicht mehr gewesen war, in einer aktiven, hungrigen Stimmung.
    – Hallo, hier ist Johansson.
    – Tag, sagte ich. Wie geht’s dir zwischen deinen ausgestopften Mamelucken?
    – Mamelucken?
    – Ja, Mamelucken.
    – Es gibt doch nichts, was Mamelucken heißt.
    – Das mußt du als Professor doch wissen!
    – Du –
    (Er hatte immer Schwierigkeiten, sich auszudrücken, oder was es nun sein mochte, jedenfalls machte er immer diese langen, unbegreiflichen Pausen, sowohl am Telefon als auch, wenn man mit ihm im selben Zimmer war. Man kam immer aus dem Konzept, weil sie an so unerwarteten Stellen im Gespräch eintraten.)
    – Du, ich glaube, ich bin hier einer Sache auf der Spur. Einer verdammt großen Sache. Es ist eine ziemlich – schreckliche Geschichte.
    – Worum geht es denn?
    – Das kann ich am Telefon nicht sagen.
    – Ich habe morgen um neun eine Etatskonferenz, und die wird wohl den ganzen Tag dauern. Kannst du kurz vor fünf kommen.
    – Du – es ist so wichtig, daß ich in diesem Fall vor der Konferenz kommen muß.
    (Er sprach plötzlich mit einem Beamtenernst, als stünden die Interessen des Reichs auf dem Spiel. Vielleicht taten sie das auch, aber ich glaubte es kaum. Solange er sich an Känguruhs und Elche hielt, konnte man doch einigermaßen beruhigt sein. Ich jage weder das eine noch das andere.)
    Ich antwortete ihm, jetzt sehr viel ernster, daß ich versuchen wolle, schon um halb acht dazusein.
    – Mein Gott, sagte ich zu Siskan, was für ein langer Tag. Wir genehmigen uns einen Whisky!
    Es war schon Wochen her, seit wir zuletzt so spät am Abend Whisky getrunken hatten. Er machte uns beide ein bißchen beschwipst, und wir lagen noch lange und redeten miteinander, über ihren Psychologiekurs, über die Schwierigkeiten der Kinder mit dem Rechnen – ja, ich weiß nicht was noch alles.
    Ach doch, daß wir anfangen sollten, samstags zusammen Tennis zu spielen.

Konzentrische Kreise
     
    Er war so eifrig, daß er kaum Zeit hatte, mich zu begrüßen, als er ins Zimmer kam. Ohne irgendwelche Zeremonien machte er auf meinem Schreibtisch Platz, legte all meine Papiere in einem ordentlichen Haufen rechts außen an den Rand und

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