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Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Titel: Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Gustafsson
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Erfindung. Ich selbst habe nie richtig kapieren können, wie man es schafft, besoffen zu werden.
    – Komisch .
    Ich mußte es einfach noch mal vor mich hin sagen, während ich ins Restaurant hinaufging. Es dauerte eine Weile, bis sich die Augen an das Aquariendunkel im Obergeschoß gewöhnt hatten, und die Tische sind dort so an den Seiten entlang verteilt, daß man tatsächlich herumgehen und nachsehen muß, wenn man Bekannte finden will.
    Sie saß ziemlich weit hinten. Ich hatte geglaubt, daß es mich auf unbestimmte Art irritieren würde, sie wiederzusehen, ich hatte einfach keine Zeit für sie, es gab soviel anderes zu bedenken, sie war etwas zu Persönliches, sie erinnerte mich zu sehr an mich selbst, und außerdem gefiel mir nicht, was sie am Telefon gesagt hatte. Was gab ihr denn das Recht dazu, Ansprüche an mich zu stellen.
    Als ich sie jetzt wiedersah, freute ich mich ganz einfach. Wie gewöhnlich trug sie einen ihrer Pullover und dazu so eine kunstgewerbliche Kette aus irgendeinem Metall, dessen Aussehen durch Rost oder Riefelung oder auf irgendeine andere Art zu den absonderlichsten Farben verändert worden war.
    Und es war ganz unmöglich, nicht auf ihre Hüften zu sehen. Diese festen, kräftigen und doch nicht ausladenden Hüften übten irgendeine primitive biologische Faszination auf mich aus. Ich sah sie heimlich an, als würden sie ein Geheimnis bergen.
    – Hallo.
    Sie lächelte ein kleines, müdes Lächeln und hielt meine Fingerspitzen einen Augenblick fest, als die Hand auf dem Tisch lag, fast als wollte sie mich an irgend etwas erinnern.
    Sie sah ziemlich erschöpft aus.
    – Wie geht’s denn? sagte ich.
    – Gar nicht gut.
    – Aber was ist denn los?
    – Es ist mein Mann.
    – Ist er eifersüchtig?
    Sie blickte auf und sah ernstlich erstaunt aus, ungefähr als wäre dies das letzte auf der Welt, was ihr hätte einfallen können.
    – Neein, warum sollte er?
    – Aber was zum Kuckuck ist es dann?
    – Ich glaube, er ist dabei, verrückt zu werden.
    – Verrückt, wieso verrückt?
    – Ich bekomme keinen Kontakt mehr mit ihm.
    – Redest du denn mit ihm?
    – Natürlich. Und er antwortet auch, wenn man ihn etwas fragt. Aber es ist, als sei eine Glaswand zwischen ihm und der Außenwelt.
    Man sieht ganz deutlich, daß er da ist. Aber man kann ihn nicht erreichen.
    – Habt ihr Kinder?
    – Ja, er hat eine Tochter von seiner ersten Frau. Sie wohnt in Malmö, wir sehen sie sehr selten.
    – Ich bin nicht ganz sicher, ob ich es richtig verstehe. Du meinst, du bekommst keinen Kontakt mit ihm?
    – Weißt du, er hat schon immer viel zu tun gehabt, er hat sich ziemlich abgehetzt, solange ich ihn kenne, und das sind jetzt über zwanzig Jahre. Wir haben geheiratet, kurz nachdem er sich von seiner ersten Frau hatte scheiden lassen. Damals hatte er gerade ein eigenes Architektenbüro bekommen. Man sah ihn nicht oft zu Hause, aber es war trotzdem etwas ganz anderes.
    Jetzt ist es irgendwie unheimlich. Weißt du, er sitzt am Frühstückstisch und redet ganz wie gewöhnlich, und mitten in einem Satz ist er weg.
    Ja, ich kann es nicht anders beschreiben. Es ist, als dächte er – es lohnt sich nicht, es spielt keine Rolle, was ich sage, es kommt ja doch nichts durch, nichts kann so wichtig sein, daß es sich für jemand anders lohnen würde, mir zuzuhören.
    – Glaubst du, daß er geschäftliche Probleme hat?
    – Überhaupt nicht. Er hat bei dem großen Bauboom der sechziger Jahre unglaublich viel Geld verdient, und er ist viel zu sicher, auch viel zu vorsichtig, um irgendwelche Fehler zu machen. Außerdem hat er den größten Teil seiner Unternehmen jetzt verkauft. Er ist aus der Gefahrenzone heraus, was die Geschäfte angeht.
    Nein. Es muß etwas anderes sein.
     
    Ich überlegte. Es gab Verschiedenes, wonach ich nicht zu fragen wagte. Zudem begann ich eine unvernünftige Eifersucht zu empfinden, die daher rührte, daß sie seinetwegen so offensichtlich verzweifelt war.
    Ich empfand sogar Schadenfreude. Eine wilde, barbarische kleine Schadenfreude, die wie ein böses Flämmchen von einem Gedankengang zum anderen sprang. Es kam mir in den Sinn, daß niemand, ich sage niemand, es jemals wagen würde, einem anderen Menschen seine innersten Gedanken anzuvertrauen, aus Angst, ihn total zu verschrecken.
    Ist das wahr? Ich weiß nicht, ob es wahr ist, aber damals habe ich es gedacht.
    – Trinkt er?
    – Nicht mehr als andere Leute. Er schätzt diese schwedische Sauferei nicht besonders. Er hat einmal einem

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