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Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Titel: Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Gustafsson
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finnische Konversation wurde jedesmal etwas lauter.
    Wachtmeister Klotz, der Enkel des beliebten Kartoffelhändlers und Sonntagsmalers Walter Klotz aus Magdeburg, aufgewachsen in Bitterfeld als siebenter Sohn des Maurerpoliers Henzel Klotz und seiner Ehefrau Edeltraut Klotz, hatte oft Mühe, richtig polizeilich auszusehen. Es bereitete ihm oft Schwierigkeiten, die Reisenden auf die korrekte, vorschriftsmäßige Weise mit starrem Blick zu fixieren. Wenn er sie so anstarrte, hatte er das Gefühl, die Reisenden würden dafür seine Ohren anstarren.
    Das verunsicherte ihn oft.
    Wachtmeister Klotz fixierte nun schon zum viertenmal den jungen Mann in der schwarzen Lederjacke und den dunkelblauen Kordjeans, der vor ihm stand und Einlaß in sein Heimatland begehrte.
    Der junge Mann hatte ein scharfgeschnittenes Profil, kurze dunkle Haare, einen diskreten, ebenso dunklen Schnurrbart und sehr große, intelligente Augen. Er sah nicht aus wie ein Agent des Imperialismus. In den Instruktionen wird jedoch davor gewarnt, übereilte Schlußfolgerungen aus dem Aussehen einer Person zu ziehen.
    Der junge Mann sah wohlerzogen und sehr einnehmend aus, und es war eigentlich gar nicht er selbst, das dem Wachtmeister Klotz Kummer machte, sondern vielmehr der eigentümliche Paß mit dem violetten Einband, den er zur Kontrolle vorgelegt hatte.
    Wachtmeister Klotz war ein erfahrener Mann. Durch seine Hände gingen täglich farbenprächtige Stapel von saudi-arabischen, australischen, britischen, monegassischen, dänischen und finnischen Pässen. Ein paarmal im Monat tauchte ein Paß aus dem Königreich Bhutan oder der Republik Tschad auf. Das war weiter kein Problem. Sie wurden kontrolliert, Paßbild, Haarfarbe, Augenfarbe und die Form der Ohren wurden mit denen der Reisenden verglichen, die Pässe wurden stapelweise zu einem Vorgesetzten hineingetragen, der nachprüfte, ob sie nicht gefälscht waren und ob die Betreffenden nicht in der Liste der unerwünschten Personen aufgeführt waren. Nach einer kürzeren oder längeren Wartezeit konnten sie am Schalter zurückgegeben werden.
    Das war wirklich nichts Besonderes. Aber mit diesem Paß konnte selbst der Teufel nichts anfangen. Die Innenseite zierte ein ungewöhnlich schönes Wappen, es stellte einen Ritter in einer Rüstung dar, der in der rechten Hand eine nach unten gekehrte Fackel hielt. Eine altertümliche Schrift, vermutlich gotischen Ursprungs, in der von jedem Aufstrich eine Linie wie eine Feuerflamme wegflatterte, wies den Inhaber des Passes offenbar als Bürger von Thinth aus. Zugleich baten die Behörden von Thinth alle anderen Behörden, mit denen der Betreffende in Kontakt kommen würde, ihm behilflich zu sein und ihm seine Reise nach besten Kräften zu erleichtern.
    Klotz begab sich zum viertenmal zu Unteroffizier Reichenbach hinein, der schon hektisch in seinen Dienstvorschriften blätterte.
    – Thinth, ist das eine Monarchie oder eine Republik, brüllte Reichenbach.
    Das stand nicht im Paß.
    In diesem Augenblick bemerkte Klotz eine erstaunlich große, schwarze Krähe, die sich offenbar endgültig auf dem schmalen Schreibpult des Unteroffiziers niedergelassen hatte.
    – Wie zum Teufel ist die denn hier reingekommen, kreischte der Unteroffizier. Jagen Sie sie weg!
    – Das ist wegen dem Hagel, sie hat natürlich hier Schutz gesucht, sagte Klotz, der in seiner Freizeit ein engagiertes Mitglied von Köpenicks ornithologischer Gesellschaft war und viel für Vögel übrig hatte.
    – Wir könnten vielleicht das Fenster aufmachen, sagte Klotz vorsichtig, eingedenk der schlechten Laune seines unmittelbar Vorgesetzten.
    – Sie sind wohl nicht ganz bei Trost! Das Fenster aufmachen? Bei diesem Wetter würden alle Papiere davonfliegen! Nehmen Sie das Tier und bringen Sie es raus, verdammt noch mal!
    Klotz machte einen ernsthaften Versuch, sich der Krähe so ornithologisch wie möglich zu nähern. Sie flatterte herum und ließ sich auf einem braungestrichenen Aktenschrank nieder.
    Vom Korridor drang ein langsam anschwellendes Gemurmel herein. Seit einer ganzen Weile war kein einziger Reisender mehr abgefertigt worden, und jetzt stauten sich die Leute an den verlassenen Schaltern. Die betrunkenen finnischen Matrosen hatten ihren vergeblichen Kampf mit den Formularen aufgegeben und schliefen einträchtig aneinandergelehnt auf einer Bank. Nichts schien sie mehr stören zu können.
    – Mein Gott, hier ist ja noch eine, sagte der Unteroffizier und sprang hinter seinem Schreibpult auf.

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