Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe
schon.«
Zwerger warf seine Serviette auf den T isch und rauschte aus dem Esszimmer. Das Schlimmste des T ages hatte er hinter sich. Gegen dieses Frühstück mit seiner Frau würden die V erhandlungen mit dem Konkursverwalter ein Sommerspaziergang werden. Oder allenfalls eine leichte Bergwanderung durch die A llgäuer Moränenhügel, mit Rita an seiner Seite.
Eine Fliege kitzelte Ewald auf der Nase, und die Sonne, die jetzt über dem W äldchen aufgegangen war, schien ihm ins Gesicht. Ewald verscheuchte die Fliege und räkelte sich, seine Knochen waren ein wenig steif vom Schlaf auf dem Fahrersitz. V on irgendwo hinter dem W ald hörte er eine Kirchturmuhr schlagen, dreimal. Es musste also »dreiviertel« sein, und als einer, der auf dem Bauernhof aufgewachsen war, wusste Ewald, dass es nur Viertel vor acht Uhr morgens sein konnte. Das war eine gute Zeit, um weiterzufahren. Ewald stieg von der Raupe, pinkelte schnell auf den A cker, machte ein paar Kniebeugen und kletterte wieder auf seinen Sitz. Er fand eine alte W asserflasche unter dem Sitz, als er die Decke dort wieder verstaute, und trank sie in einem Zug halb leer. Später würde er sich etwas zu essen besorgen müssen, ein paar zerknitterte Geldscheine hatte er noch in der Hosentasche seiner blauen A rbeitskombi, die seine Mutter nicht entdeckt hatte. Bestimmt kam er auf seiner Strecke an einem Imbiss vorbei. Die Fiat-Allis sprang auf den ersten V ersuch an, und er fuhr den Feldweg weiter, in Richtung der kleinen Neubauhäuschen, die er in der Morgendämmerung schon bemerkt hatte. Der Feldweg wurde kurz vor der Siedlung zu einem asphaltierten Sträßchen, und weil er keinen W eg entdeckte, der außenherum führte, fuhr Ewald mitten durch die Siedlung. Die Häuser sahen aus, als seien sie aus Pappe gebaut, und glichen sich bis auf ein paar Details. Ewald musste an die Rätselbilder in den Zeitschriften beim Zahnarzt denken, wo man immer die Unterschiede zwischen den einzelnen Bildern herausfinden musste. A m einfachsten war es bei den Farben: Alle Eigenheime waren bunt angestrichen, in merkwürdigen T önen, wie aus dem Malkasten. A uch die Dächer waren fast alle bunt und glänzten, als hätte sie jemand mit einer Speckschwarte eingerieben. Jedes Häuschen hatte eine kleine Garage mit einer gepflasterten Einfahrt, in den winzigen Gärten standen W äschespinnen, auf denen fast überall Kinderwäsche hing. Ewald vermutete, dass alles so bunt angestrichen war, damit die Leute beim Heimkommen immer gleich das richtige Häuschen fanden.
Plötzlich hörte er lautes Kindergeschrei, das von einer Garagenauffahrt kam. Eine junge Frau stand neben einem dieser modernen Familienautos, in denen mindestens sieben Leute Platz hatten. Zwei schreiende kleine Kinder hatte sie auf dem A rm, ein Junge mit einem Schulranzen auf dem Rücken lief vor ihren Füßen herum und heulte wie am Spieß. Es hätte auch gereicht, wenn nur die zwei Kleinen geplärrt hätten, selbst dann hätte Ewald den Lärm gehört, weil er recht langsam fuhr, um niemanden aufzuwecken. Der Grund für den Ärger war klar: Direkt vor der Garageneinfahrt stand ein großer A nhänger, auf dessen Plane riesige Polstermöbel abgebildet waren. Der A nhänger stand so, dass die Frau mit dem A uto nicht aus der Garagenausfahrt herausfahren konnte. Ewald blieb stehen, ließ den Motor im Leerlauf tuckern und fragte:
»Kann man Ihnen helfen?«
»Da fragen Sie noch? Schaun Sie sich das doch an! Direkt vor der Einfahrt! W er macht denn so was? Die Kleinen müssen in die Kita, und der Jonas hat gleich Schule. Ist das Ihr A nhänger?«
Ewald lachte.
»Das tät noch fehlen, dass ich Polstermöbel an die Ostsee rauf fahren tät.«
»Was gibt es denn da zu lachen? Ich muss in zwanzig Minuten im Office sein.«
»Haben’s keinen Mann?«
»Der ist auf einem Meeting in New York.«
Ewald wusste zwar nicht, wo das war, aber bestimmt nicht in der Nähe vom A llgäu.
»Ja, dann. W arten S’, ich schaff Ihnen schnell den Hänger aus’m W eg, dann können S’ raus mit’m W agen.«
Ewald legte den Rückwärtsgang ein, setzte sich hinter den A nhänger, senkte die Schaufel ein wenig, gab Gas und schob den Polstermöbel-Anhänger einfach drei Meter weit nach vorne, da war noch Platz. V ielleicht hätte er die Bremse des A nhängers vorher lösen sollen, aber die Fiat-Allis schaffte das auch so ohne Probleme.
»Jetzt können’s raus.«
»Tausend Dank! Sie schickt mir der Himmel. W as bin ich Ihnen schuldig?«
Ewald
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