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Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe

Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe

Titel: Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jockel Tschiersch
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winkte ab.
    »Nix. A ber Sie könnten mir vielleicht sagen, wo ich hier bin. Und wie ich an die Ostsee komme.«
    »An die Ostsee? Mit diesem Monstrum?«
    »Saumäßig weit droben. A ber ich hab noch ein paar T age Zeit, bis die Meisterschaft losgeht …«
    »Na, dann … Sie sind hier am Stadtrand von Biberach.«
    »Stuttgart-Ulm-und-Biberach-Mecklebeure-Durlesbach!«
    »Exakt. Und wenn Sie nach Norddeutschland möchten, dann müssen Sie durch Ulm durch, über die Donau.«
    Die Donau war Ewald ein Begriff, aus der Schule noch. Da hatten sie bei Frau Brillisauer immer den Satz aufsagen müssen »Iller, Isar, Elbe, Inn, die fließen all’ zur Donau hin«. Oder so ähnlich jedenfalls.
    »Und wie komm ich da drüber, über die Donau?«
    »Am besten über die A denauer-Brücke. Da fahren Sie einfach immer geradeaus, dann kommen Sie automatisch auf die Bundesstraße, und die führt direkt über die A denauer-Brücke. Das können Sie gar nicht verfehlen.«
    Die Frau setzte die beiden Kleinen auf den Rücksitz, aber Jonas, der Junge, nölte immer noch herum.
    »Mama, jetzt mach doch mal! Ich komm schon wieder zu spät in die Schule!«
    Ewald winkte den Jungen zu sich heran.
    »Magst raufkommen?«
    Jonas hörte augenblicklich auf zu quäken, seine A ugen leuchteten, und er kletterte mitsamt Schulranzen über die rechte Kette hoch zu Ewald auf den Fahrersitz.
    »Ich war früher auch immer zu spät in der Schul’ … und gelernt hab ich auch nicht viel. Da hätt ich genauso gut auch noch später kommen können.«
    Jonas lachte.
    »Ist das schwer, so was zu fahren?«
    »Ganz einfach, wenn man weiß, wie’s geht. A ber das ist mit allem so, oder?«
    Jonas nickte.
    »Aber meine Mama ist eine blöde Ziege.«
    »Meine ist au nicht viel besser.«
    Jonas und Ewald lächelten sich an mit der spontanen intuitiven Solidarität muttergeplagter Jungs.
    Die Frau hatte Jonas’ Geschwister endlich in den Kindersitzen festgezurrt und sah sich suchend um.
    »Jonas, kommst du jetzt mal bitte!!! Immer das Gleiche mit dir, ich hab’s allmählich satt!«
    Grinsend sprang Jonas von der Raupe und setzte sich auf den V ordersitz neben seine Mutter. Mit quietschenden Reifen fuhr die Frau aus der Einfahrt, winkte Ewald noch einmal zu und verschwand in Richtung Innenstadt, als sei der Leibhaftige hinter ihr her. A uch Ewald startete seine Maschine wieder und fuhr in dieselbe Richtung los, am weggeschobenen Hänger vorbei. Er war ziemlich sicher, dass ein solcher Hänger mit Polstermöbeln reichen würde, das Häuschen gehörig voll zu machen, vor allem, wenn man noch dazu mit drei Kindern da drin wohnen wollte. So eine Reise, dachte sich Ewald, war ein großer Spaß, denn man lernte Sachen und Leute kennen, die man in einer Kiesgrube nie treffen würde. Und jetzt würde er zum ersten Mal in seinem Leben über diese komische Donau fahren, mit der es die Frau Brillisauer immer so wichtig gehabt hatte in Erdkunde.
    Der Mann hieß Lipka und mochte Backwaren, er biss gerade in das dritte Croissant mit Schokoladenfüllung. Dabei war Rüdiger Lipka schlank und hochgewachsen, bestimmt nicht älter als vierzig, hatte geföhntes hellblondes Haar und trug eine elegante Brille von Philipp Starck, die seine hellblauen A ugen vorteilhaft betonte. Um die schmalen Lippen lag ein permanentes Lächeln, seine dezente Gesichtsbräune hatte er sich bestimmt nicht in den Bergen geholt, sondern in einem Sonnenstudio im T al. Zum hellen Sommeranzug trug er ein rosafarbenes Hemd mit einer grüngelb gestreiften Krawatte, und Karl Zwerger musste zugeben, dass die Kombination doch ganz elegant aussah. Lipka stammte nicht aus dem A llgäu, das hörte man, Karl tippte auf irgendwo aus Niedersachsen.
    Um acht Uhr morgens hatte Zwerger das Büro erst einmal gründlich gelüftet und die Spuren seines nächtlichen T obens mit Rita beseitigt, alle nötigen Papiere vorbereitet und die entsprechenden Ordner aus den Schränken geholt. Um halb neun war Rita aufgetaucht, in einem geschäftsmäßigen dunklen Rock, knielang, schwarzer Strumpfhose und einer geschlossenen Bluse. Rita hatte, klug wie die W ahl ihrer Garderobe, auch eine T üte voll Brötchen und süßer Backwaren mitgebracht. Karl hatte sie in den A rm genommen, und beide hatten aufpassen müssen, dass es bei einem kleinen Begrüßungsküsschen blieb.
    Um neun Uhr war Lipka in einem schwarzen Renault-Megane-Cabrio vorgefahren: Das A mtsgericht Kempten hatte den Rechtsanwalt, T ätigkeitsschwerpunkt Insolvenzrecht, zum

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