Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe
drinnen weiterlief. Er hatte seiner Mutter gar nicht gesagt, dass er ein paar T age lang weg sein würde, aber das musste die auch mal verkraften können, schließlich war sie alt genug. Und insgeheim dachte Ewald, dass er ihr ruhig mal einen Grund für die Meckereien geben konnte, wenn sie schon die ganze Zeit auf ihm herumhackte und eh immer alles besser wusste. V ielleicht würde sie auch vor lauter Schimpfen gar nicht bemerken, wenn ihr Ewald mal ein paar T age nicht nach Hause kam. In letzter Zeit gab es sowieso einiges, was die Mutter nicht mehr mitbekam.
Dann ging ihm nochmal der Schorsch durch den Kopf, der jetzt einen sakrischen Ärger wegen seinem Häusle am Hals hatte, und der Bene, der auf die Rita Zieschke scharf war und es nicht verwinden konnte, dass sie nichts von ihm wissen wollte. Und eigentlich konnte Ewald es gar nicht glauben, dass der Zwerger wirklich pleite war: Das würde heißen, dass er kein Geld mehr hatte. Die Kiesgrube war immer gut gelaufen, man hatte jede Menge A rbeit gehabt, Überstunden machen müssen, und die Kunden hatten manchmal sogar auf die Lieferungen warten müssen. Irgendwas stimmte da nicht mit dem Zwerger seinem Konkurs. A ber das war Ewald jetzt egal, seine Müdigkeit, das leise Knacken des abkühlenden Motors, der Geruch des heißen Öls und das sanfte Rauschen des W indes im W ald ließen ihn schnell einschlafen.
Karl Zwerger stierte auf das A ufbackbrötchen auf seinem T eller, das er mit seinem Messer aufzuschneiden begonnen und dann innegehalten hatte. Er wollte hier keine A ufbackbrötchen mehr aufschneiden, er wollte in diesem Haus überhaupt nichts mehr. W ie ein Einbrecher hatte er sich nachts um halb fünf hereingeschlichen und sich auf der Couch in seinem A rbeitszimmer hingelegt, ungeduscht. Den Liebesgeruch, den er sich zusammen mit Rita so lustvoll erarbeitet hatte, hatte er zumindest bis zum Morgen behalten wollen. Karl hatte keinen Zweifel, dass Rita genau das W eib war, mit dem er die nächsten zwanzig Jahre seines Lebens verbringen wollte. Und dass es höchste Zeit war, aus dieser Ratzisrieder Hölle herauszukommen. A lle W eichen waren gestellt, er brauchte nur noch den Konkurs abzuwickeln, den Rest, wie den V erkauf des Hauses, würde Charly W aible, sein Freund und Rechtsanwalt, für ihn erledigen. Und es würde ihn nicht wundern, wenn Charly W aible auch bald nachkommen würde nach Mallorca. Denn der hatte seine A lte auch ganz gehörig dick, wie er es Zwerger gegenüber vor ein paar W ochen recht profan ausgedrückt hatte.
Um halb sechs Uhr morgens war Karl aufgestanden, hatte geduscht und sich sein Frühstück gemacht. Seine Frau Karin würde bald aus dem ehelichen Schlafzimmer, dessen Bezeichnung für Karl nur noch ein W itz war, herunterkommen und blöde Fragen stellen. Bis dann wollte er wenigstens einen Kaffee getrunken und einen Bissen gegessen haben. Er hatte Hunger, während des ganzen gestrigen A bends hatte er außer einem Bier und dem Dom Perignon nichts zu sich genommen, und die zweieinhalb Schäferstündchen mit Rita hatten ihn auch ein paar Kalorien gekostet.
Karl starrte das Brötchen an, in dem sein Messer steckte, als könnte der industrielle W eißmehlklumpen ihm irgendeinen ultimativen T ipp geben, mit welcher T aktik er Karin das Gesamtpaket aus Konkurs und Komplettabgang verkaufen konnte. Genau wie im Büro, wo Zwerger die schlimmsten Dinge immer vor sich hergeschoben und den größten Mist auf sich hatte zukommen lassen, saß er jetzt ohne konkrete Strategie am Frühstückstisch. Klar war ihm nur, dass die Sache mit Karin definitiv gegessen war. Manchmal hatte Zwerger den V erdacht, es war der zwangsläufige W eg zwischen zwei Menschen in einer ehelichen T retmühle, sich irgendwann nur noch auf die Nerven zu gehen. Und wenn es bei Einzelpaaren doch mal bis ins hohe A lter funktionierte, war das wahrscheinlich bloß eine feige Sucht nach Frieden und Geborgenheit: alles vorgetäuschter Bockmist aus A ngst, allein zu sein. Karl Zwerger wusste, dass er alles andere als ein Philosoph war, aber mittlerweile konnte er nicht einmal mehr mit ansehen, wie sich Karin eine Jacke anzog. Und man brauchte wirklich kein Philosoph zu sein, um zu wissen, dass es dann für einen ganzen Kerl wie den Karl höchste Zeit war, mit A nstand zu gehen. W obei sein getürkter Konkurs natürlich nicht die höchste Form des zwischenmenschlichen A nstands war, aber das war jetzt auch schon egal.
Karl holte einen Umschlag mit einem Schreiben von Charly
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