Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe

Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe

Titel: Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jockel Tschiersch
Vom Netzwerk:
W aible aus seiner Jackentasche und legte ihn auf den Frühstückstisch. Der Brief war an Karin Zwerger adressiert. Charly W aible tat Karls Frau Karin darin kund, dass ihr Mann die Scheidung eingereicht und ihn, Herrn Rechtsanwalt W aible, mit der W ahrnehmung seiner Interessen beauftragt hatte. Charly konnte so etwas wirklich wunderbar formulieren.
    Karl schmierte sich fingerdick Butter und Marmelade auf die Semmel und biss hinein. Er hörte Karin die T reppe herunterkommen und stierte vorsichtshalber stur geradeaus, auf seinen T eller.
    »Bist du schon auf, Karl?«
    Zwerger biss noch einmal in die Semmel, denn mit vollem Mund sprach man nicht.
    »Wo warst du denn heute Nacht?«
    »Wo werd ich schon gewesen sein? Im Büro, wo sonst!«
    »Sprich bitte nicht mit vollem Mund, das ist primitiv.«
    »Dann frag halt nicht so blöd!«
    Karl schob sich den Rest der Semmel in den Mund: Der A nfang war schon einmal gemacht. Sollte sie ihn doch für primitiv halten, das machte alles nur einfacher.
    Karin trug einen sündteuren Seidenbademantel, den Karl ihr bestimmt nicht geschenkt hatte und der ihrer plumpen Figur auch nicht unbedingt schmeichelte. Sie setzte sich, goss sich eine T asse Kaffee ein, schüttete zweimal Zucker aus dem italienischen Panarotti-Designer-Zuckerstreuer hinein und rührte mit dem viel zu kleinen Lufthansa-Teelöffel um, wobei sie den kleinen Finger abspreizte wie eine Düsseldorfer Schwuchtel. Obwohl er dieses affektierte Gerühre nicht mehr sehen konnte, guckte er trotzdem wieder hin. Es war Karl ein Rätsel, wie sich Karin ein solches Getue angewöhnt haben konnte, schließlich war sie die T ochter vom A llgäuer Kiesbauern Poschedsrieder gewesen, als er sie geheiratet hatte. Und jetzt spielte sie die feine Dame, die Kreditkarten mussten ihr zu Kopf gestiegen sein. Karin schnitt sich ein Brötchen auf und spreizte dabei wieder beide kleinen Finger ab. Zwerger verkniff sich die Frage, ob das Spreizen der Finger mittlerweile die einzigen körperlichen A ktivitäten waren, an denen sie noch Spaß hatte.
    »Wie kann das so plötzlich kommen, Karl?«
    »Was?«
    »Spiel bitte nicht den Idioten. Das ist völlig unmöglich, dass wir insolvent sind.«
    Karl Zwerger glotzte auf seinen T eller. Schon das »wir« regte ihn auf.
    »Dann frag die Bank. Die Bank hat mir den Hahn zugedreht.«
    »Wie soll das jetzt weitergehen?«
    »Das hat dich bis jetzt auch nicht interessiert. Du warst doch alle nas’lang bloß shoppen.«
    »Du weißt, dass das nicht stimmt. A ber wir schaffen das zusammen, Karl. W ir haben’s immer geschafft. Zur Not nehmen wir noch eine Hypothek auf.«
    »Auf was denn? Das Gelände gehört mir schon lang nicht mehr.
    »Du hast das Grundstück von meinem V ater …?«
    »Tu doch nicht so. Hast doch die V ollmachten unterschrieben damals … war dir doch alles egal.«
    »Was läuft da, Karl?«
    Zwerger schwieg und trank einen Schluck Kaffee. A ls er dabei ein kleines Schlürfgeräusch verursachte, sah er im A ugenwinkel, wie Karin zusammenzuckte. Genau in diesem Moment entdeckte sie den Umschlag von Charly W aible.
    »Was hat das zu bedeuten, Karl?«
    »Lies halt, dann weißt’ es.«
    Karin setzte sich ihre A rmani-Lesebrille auf und überflog den Brief, ohne eine Miene zu verziehen.
    »Du hast die Scheidung eingereicht?«
    »Wenn’s da steht …«
    »Du verhältst dich wie ein kleines Kind.«
    »Und wenn schon. Es hat doch alles keinen Zweck mehr mit uns.«
    »Hast du eine andere?«
    »Ich hab ganz andere Sorgen als W eiber …«
    Karin sah ihn eine W eile lang an, aber Karl wich ihrem Blick aus.
    »Ich habe das Gefühl, da sitzt ein Fremder vor mir!«
    »So geht’s mir schon lang, Karin.«
    Karin nickte ein paarmal, als würde ihr jetzt im A ugenblick erst klar, dass etwas nicht stimmte.
    »Reichst du mir mal die Konfitüre, bitte?«
    »Was?«
    »Die Konfitüre, Karl.«
    Karl schob Karin das Marmeladenglas über den T isch, und als sie anfing, mit maushaften Bewegungen und abgestreckten Fingern einen Hauch von Bitterorangenkonfitüre kratzend auf die Oberfläche ihres Brötchens zu verteilen, hielt er es nicht mehr aus und stand auf.
    »Bitte setz dich, Karl. Und vielleicht erklärst du mir, wie du dir das alles vorstellst.«
    Karl dachte nicht dran, sich wieder zu setzen.
    »Da gibt’s nicht viel zu erklären. Das Mercedes-Cabrio kannst du behalten. Ich muss jetzt los. Und bis alles rum ist, schlaf ich im Büro.«
    »Ist das alles, was du dazu zu sagen hast?«
    »Im Moment

Weitere Kostenlose Bücher