Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe
fällt doch überall auf mit diesem angemalten Schrott.«
Rita zögerte einen Moment lang.
»Oder du fährst, Karl. Und ich bleib hier und kümmere mich um Herrn Lipka. Mir frisst der aus der Hand, ich hab Erfahrung mit solchen Schlips-Affen. Und diesen Fricker kenne ich kaum.«
Karl Zwerger winkte ab.
»Nein, nein, das mach ich schon selber hier. Der Fricker ist harmlos. Erzähl ihm irgendwas, und wenn er blöd tut, gib ihm Geld. W enn du ihn hast, rufst du mich an, dann schick ich einen T ieflader los. Hoffentlich hat ihn die Polizei noch nicht erwischt … So ein Scheiß hat mir jetzt grade noch gefehlt.«
Zwerger nahm fünf Einhundert-Euro-Scheine aus seiner Schreibtischschublade und machte den Schlüssel seines Porsche vom Schlüsselbund ab.
»Wir schaffen das schon, mein Schmetterling …«
Rita steckte den Zettel wieder ein, ließ eine T asse Kaffee aus der Espressomaschine und stellte sie zusammen mit einem Croissant auf ein kleines T ablett.
»Ich bringe deinem Konkurs-Heini noch schnell seinen Kaffee, und dann fahre ich los.«
»Bist ein Schatz. Fährst hinten raus, damit dich nicht jeder sieht mit dem Porsche.«
»Klar. Sei auf der Hut mit dem Lipka. Blöd ist der nicht.«
»Ich weiß. Und sei lieb zu meinem Porsche.«
Zwerger gab Rita noch ein Küsschen, bevor sie mit Lipkas Kaffee hinüber zur Halle entschwand.
Selig sah er ihr hinterher und freute sich auf alles, was kommen würde. Er hatte wirklich ein unverschämtes Glück gehabt: Rita war eine kluge Frau, die wusste, wie man die Dinge in die Hand nahm, ohne dass man ihr haarklein alles erklären musste. Das gab es selten: Schönheit, Klugheit, Selbständigkeit und Instinkt. Zu alldem war sie ein hochgradig erotisches W eib, ein mit der Gnade unverkrampfter Geilheit gesegnetes W esen, ein V ulkan der Leidenschaft sozusagen. Zwerger holte die W hiskeyflasche aus seinem Schreibtisch und gönnte sich einen Schluck auf Rita und die Zukunft. Einen einzigen kleinen Schluck, nur fürs Gefühl.
Rita stand neben dem Küchentisch und kam sich vor wie eine Mischung aus Falschgeld und ungebetenem Gast. Genau das war sie auch: Herr Frickers Mutter, die am Küchentisch saß, hatte ihr nicht einmal einen Platz angeboten. Rita hatte zur Sicherheit noch einmal nachsehen wollen, ob Fricker die Raupe nicht tatsächlich zuhause abgestellt hatte und vielleicht nur seinen Rausch ausschlief. Sie hatte das Haus nicht auf A nhieb gefunden, man musste einen kleinen unbeschilderten W eg entlangfahren, der zwischen zwei Hügeln bei einem heruntergekommenen Gehöft endete, quasi mitten in einem dunklen Loch. Für Rita war es unvorstellbar, in so einem T al zu leben, wo auch im Sommer die Sonne kaum hinkam. V or dem Küchenfenster stand Zwergers roter Porsche, und Rita sah immer wieder nach draußen, nicht dass noch irgendein fehlgeleitetes Rindvieh der Familie Fricker gegen den W agen lief oder einen Fladen daneben setzte.
Eine Klingel hatte Rita an der verschlossenen Haustür nicht gefunden, auf Klopfen hatte niemand reagiert. Rita war hinter dem Haus, am Stall vorbei, nach mehrfachem Rufen in die Küche gegangen, wo eine alte Frau am T isch saß und aus einer unbeschrifteten Konservendose W urst aß mithilfe eines Küchenmessers. Rita hatte sich freundlich vorgestellt und Frau Fricker gefragt, ob sie wisse, wo ihr Sohn sei. Die alte Bäuerin hatte sie nur feindselig angeglotzt. Rita hatte dann die vorsichtige Befürchtung geäußert, dass ihr Sohn Ewald vielleicht mit der Raupe auf Reisen gegangen sein könnte.
»Und wer macht mir jetzt den Stall? Der soll bloß schaue, dass er hergeht, der Sakrament, der Nixige!!! Der isch letztes Jahr au scho net hergange!!!«
Rita hatte Schwierigkeiten, den genauen Sinn der Rede zu verstehen, weil die Frau sehr starken Dialekt sprach und auch ihre Stimme kaum modulierte, sondern immer in ein und derselben hohen T onlage herumzukeifen schien.
»Frau Fricker, nochmal: Es könnte sein, dass Ihr Sohn mit einer Planierraupe losgefahren ist an die Ostsee!«
»Dann schau halt, dass’d den Bazi wieder herbringscht von dere Oschstsee. Und der soll sich bloß des Geld für den Diesel z’rückgeben lassen vom Zwerger!«
Es brauchte einen Moment, bis Rita realisiert hatte, dass Frau Fricker sie zum einen duzte und zum anderen der Meinung zu sein schien, es handele sich um so etwas wie eine Dienstreise mit Kostenerstattung.
»Frau Fricker, Sie verstehen mich nicht: Der Herr Zwerger hat Konkurs angemeldet.«
Die Frau lachte zweimal
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