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Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe

Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe

Titel: Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jockel Tschiersch
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…«
    »Aha.«
    Umständlich zog Schorsch ein Papier aus der T asche seiner A rbeitsjacke und hielt es Rita stumm hin. Rita sah sich den zerknitterten Zettel an: Es schien ein schnell am Computer ausgedrucktes Formular zu sein, eine T eilnahme-Bescheinigung für die Deutsche Meisterschaft im Präzisionsplanieren, die am Sonntag, den 31. August auf dem Flugplatz Peenemünde stattfand, oben auf der Insel Usedom, in Mecklenburg-Vorpommern. Der Zettel war ausgestellt auf den Namen Ewald Fricker, in der Rubrik »Fahrzeug« war die alte Fiat-Allis eingetragen. Rita schüttelte den Kopf.
    »Und wo ist der Herr Fricker jetzt?«
    Schorsch scharrte mit den Füßen im Kies herum.
    »Den T ieflader kriegt er ja nicht wegen dem Konkurs vom Herrn Zwerger.«
    So langsam dämmerte Rita etwas.
    »Sie meinen, der ist …?«
    Schorsch sah ihr in die A ugen und nickte.
    »Zuzutrauen wär’s ihm.«
    »Ihr seid ja alle nicht ganz dicht! Da braucht der doch ein halbes Jahr bis da rauf! W issen Sie überhaupt, wie weit das ist?«
    »Saumäßig weit …«
    Rita überschlug im Kopf, wie schnell so eine Raupe fahren konnte und seit wann Fricker wohl unterwegs sein mochte. Und sie fand, dass Lipka den schwermütigen Schorsch Beitinger hier nicht unbedingt entdecken musste.
    »Jetzt gehen Sie nach Hause und sagen Sie’s Ihrer Frau. Irgendwas findet sich da schon. Ich höre mich mal um.«
    »Danke.«
    Schorsch stand auf, steckte die Hände in die Hosentaschen und schlurfte mit unendlich langsamen Schritten durch die Kiesgrube, als wolle er nicht vor Einbruch der Nacht in seinem Häusle ankommen. Rita blieb auf der Holzbank sitzen, steckte den Zettel ein und zündete sich erst einmal eine Zigarette an.
    Die Idee mit der Bundesstraße war kein guter T ipp gewesen. Es herrschte dichter V erkehr, wie Ewald ihn noch nie erlebt hatte, und die A utos waren höllisch schnell unterwegs.
    »Die müssen alle zum Schaffen!«, hatte sich Ewald gedacht und festgestellt, dass es fast ausschließlich große Geländewagen waren, die ihn da überholten, schnitten und dabei hupten, dass ihm die Ohren fast wegflogen. W ahrscheinlich waren das alles Leute, die hoch droben in den Bergen wohnten, wo’s keine Straßen gab, und die jetzt schleunigst mit dem A llrad ins Büro oder zum Flughafen mussten. Dreimal hätte es fast gekracht, und Ewald hatte richtig Mitleid mit einer ganz jungen Frau mit langen Haaren, die so ängstlich hinter dem Steuer saß, als hätte sie ihr böser Stiefvater in den schwarzen Porsche Cayenne eingesperrt und ihr einen Ziegelstein aufs Gaspedal gelegt.
    Als Ewald die Huperei zu blöd wurde, war er einfach über eine W iese gefahren und hatte kurz darauf ein kleines Sträßchen entdeckt, das direkt neben der Bundesstraße herführte. W ahrscheinlich hatte man das extra gebaut für Leute, die keine so großen und so schnellen A utos mit lauten Hupen hatten.
    Hier machte das Fahren wieder Spaß. A ußer ihm war fast niemand unterwegs, die Fiat-Allis schnurrte tapfer geradeaus. Ewald aß das Pausenbrot, das ihm der kleine Jonas zum A bschied zugesteckt hatte und das ein bisschen komisch nach Körnern und Gemüsepaste schmeckte. Eine W urstsemmel wäre ihm freilich lieber gewesen, aber der Hunger trieb’s hinein und der Gedanke, dass der arme Jonas wahrscheinlich jeden T ag so ein Zeug essen musste und ihm das wenigstens heute erspart geblieben war. Dann hängte Ewald sich das A kkordeon um und fing an zu spielen. Es war ein Seemannslied, das er mal im Radio gehört hatte. Es hieß »Seemann, deine Heimat ist die See« und erschien ihm irgendwie passend für den W eg an die Ostsee, auch weil er nicht schon wieder »La Paloma« spielen wollte.
    Mitten im Lied überholte ihn eine Gruppe von zehn Radrennfahrern in leuchtenden T rikots, die so eng waren, dass Ewald sich kaum vorstellen konnte, wie man da hineinkam. Die Männer lachten und winkten Ewald zu.
    »Hey, wartet’s mal g’schwind!«
    Die Rennradler bremsten ab und fuhren neben Ewald her, nahmen ihn in ihre Mitte wie kleine Pilotfischchen einen mächtigen Hai.
    »Sagt’s mal, geht’s jetzt da auch zu derer Politiker-Brücke?«
    Die Radler überlegten, was der merkwürdige Mann mit dem A kkordeon auf seiner bemalten Planierraupe gemeint haben könnte, bis einer von den Radlern laut zu lachen anfing.
    »Meinst du vielleicht die A denauer-Brücke in Ulm?«
    »Ja genau, sag ich doch.«
    Jetzt lachten sie alle, einer von ihnen wäre fast gestürzt, so schüttelte es ihn.
    »Du, da hast du

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