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Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe

Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe

Titel: Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jockel Tschiersch
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meckernd auf, wobei Rita sich nicht sicher war, ob es sich nicht auch um einen leichten Hustenanfall gehandelt haben könnte.
    »Geh, Mädle, was woisch denn du?! Du bisch ja gar ned von da!«
    Den Hieb auf ihre Herkunft hatte Rita dann doch sofort verstanden.
    »Zum Glück bin ich nicht von hier, Frau Fricker.«
    »Frech wer’n au no! Schau, dass rauskommsch! I muss schaffe! Des tät mi sowieso int’ressiere, warum der Zwerger eine wie dich braucht fürs Büro und für was weiß I sonscht no alles! A ls ob’s da ned g’nügend scherrige W eiber hätt im A llgäu!«
    Die Bedeutung des W ortes »scherrig« konnte Rita nur erahnen, aber sie war sich sicher, dass es sich nicht um eine Schmeichelei handelte.
    »Frau Fricker, es geht um Ihren Sohn!«
    »Schwätz doch du koin Seuch daher! Der soll sich’s G’nick brechen mit dem alten Glump, der Hurament, der Nixige!«
    »Aha. Und wer macht Ihnen dann den Stall?«
    »Halt bloß dei freche Gosch’! Da reikomme und irgendoin Schmarrn daherschwätzen! Der Zwerger und pleite, des glaubschst doch auch bloß du! Der isch doch so was von aufs Geld aus, der alte Leutschinder! Und wenn der Seckel von Ewald ned bald do isch, na kann er grad sei Glump packen!«
    Rita musste den W unsch unterdrücken, Frau Fricker den Rest ihrer Dosenwurst samt Dose ins Maul zu stopfen.
    »Wenn Sie meine Mutter wären, würde ich mit einem Muldenkipper bis nach Sibirien fahren! W iedersehen.«
    Rita hatte gerade die T ür hinter sich ins Schloss fallen lassen, als der alte Pantoffel auf dem T ürfutter aufschlug, den Ewalds Mutter sich von der Küchenbank gegriffen und nach Rita geschleudert hatte.
    Rita wollte nur weg von diesem Gehöft, so schnell und so weit wie möglich, und zwar bevor Frau Fricker den Zwerger’schen Porsche noch mit einer Mistgabel attackierte.
    Rita hatte den Porsche auf A nhieb gemocht. Sie fuhr zum ersten Mal damit, denn der rote 911er war in Ratzisried bekanntermaßen Karl Zwergers W agen. Hätte man Rita im Dorf damit gesehen, hätte Zwerger genauso gut in einer halbseitigen Zeitungsannonce seine A ffäre mit Rita Zieschke publik machen können. A ber heute war es eben ein Notfall. Zwerger hatte schon immer ein Faible für alte Sportwagen gehabt, aber zu den Zeiten als A utoverkäufer bei Honda konnte er sich so etwas nicht leisten wie diesen karmesinroten Porsche 911, Baujahr 1985. Er hatte ihn vor sieben Jahren für knapp 50 000 Euro gekauft, ihn bei seinem alten Kumpel Otto Lantenhammer in Steibis restaurieren lassen und liebte ihn über alles. Immer wenn ihm seine Karin gehörig auf die Nerven ging, war er damit über die A lpenstraße von Lindenberg bis Oberstaufen gebrettert oder einmal quer durch den Bregenzer W ald, so wie andere sich besoffen oder in den Puff gingen. A ll die modernen Sportwägelchen kamen an das feeling dieses 911ers nicht heran, allein der Klang des luftgekühlten 6-Zylinder-Boxermotors war einmalig und geradezu aphrodisierend. A uch in Sachen Straßenlage und handling konnten die als Sportwagen der neuen Generation verkauften Gehhilfen von BMW , Mercedes oder gar A udi nicht an den guten alten 911er heranschmecken. W enn man ein bisschen damit umgehen konnte wie Karl Zwerger, dann ließ sich der 911er mit seinem Heckantrieb so durch die Kurven driften, dass auch die Hightech-Sportwagen samt ihren elektronischen Fahrwerksmätzchen kein Land mehr sahen.
    Rita fuhr verhalten, nur ab und zu zirkelte sie den 911, wie an einer Schnur gezogen, durch die eine oder andere enge Kurve auf der Landstraße in Richtung Ulm.
    Zweimal hatte sie schon in Dörfern gehalten und Leute gefragt, ob jemandem eine rot bemalte Planierraupe aufgefallen war. A ber niemand hatte Fricker gesehen, eine alte Frau dachte gar, Rita wollte sie auf den A rm nehmen.
    Kurz hinter Leutkirch hielt sie an einer kleinen Dorftankstelle und fragte nach einer Straßenkarte, die sie in der Eile vergessen hatte, denn so ein neumodisches Gelumpe wie ein Navi gehörte natürlich nicht in einen alten 911er.
    Der T ankwart, ein kräftiger 30-Jähriger mit Ringen im Ohr und einem flächendeckenden T attoo auf dem Oberarm, sah sie mit unverhohlenem Grinsen an.
    »Mit einer Planierraupe?«
    »Ja, mit einer Planierraupe. Fiat-Allis. Rot.«
    »So rot wie Ihr Porsche …«
    Die Grimassen des T ankwarts, der aussah wie ein ins A llgäu strafversetzter Rapper, überschritten jetzt schon fast die Grenzen des A nstands. Ein Blick von Rita reichte, um den grinsenden Fleischklops wieder ansatzweise

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