Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe
Imbiss-Dame reichte ihm einen riesigen T eller, es war von allem etwas drauf. Genau so hatte Ewald sich das vorgestellt. Er bezahlte und trug den T eller zur Raupe, stellte ihn auf die Motorhaube und setzte sich auf den Fahrersitz. Die Lastwagenfahrer wünschten ihm guten A ppetit.
Als Ewald den Löffel in die Hand nahm, hörte er ein bekanntes Motorengeräusch: 6-Zylinder-Boxermotor, luftgekühlt. Er brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, wer ihm bei T isch Gesellschaft leisten würde. Im nächsten Moment fuhr Rita Zieschke mit dem Porsche auf den Parkplatz und stellte ihn direkt vor der Raupe quer. Der 911er war mit einer dicken Staubschicht überzogen wie ein Rallyefahrzeug bei der Paris-Dakar. Rita stieg aus und ging entschlossen auf die Raupe zu.
Das war für die Lastwagenfahrer natürlich ein gefundenes Fressen: eine bunte Raupe, ein staubiger 911er Porsche, ein komischer Kauz und eine absolut attraktive Frau in einem eleganten Kleid. Die Dame wirkte noch dazu äußerst energisch, und das versprach natürlich weitere Unterhaltung, vielleicht sogar ein kleines Beziehungsdrama direkt vor ihren A ugen. Endlich war mal was los bei Rosis V esper-Stüble an der B 19.
Der Fahrer einer Zugmaschine, an der ein T ieflader hing, stieg aus, als wollte er nichts verpassen von dem, was sich da anbahnte. Er war um die fünfzig, die langen Haare hatte er hinten zu einem Schwanz zusammengebunden. Er trug eine Nickelbrille, schwarze Jeans, ein weißes Hemd und weinrote Cowboystiefel. Hinter der W indschutzscheibe seines Lkw hing ein Namens-Nummernschild, auf dem »Heinz« eingeprägt war.
Rita stand vor der Fiat und funkelte Ewald mit bösen A ugen an.
»Schluss jetzt mit dem Quatsch. Her mit dem Schlüssel und runter von der Raupe!«
Auch Ritas T on ließ keinen Zweifel, dass es ihr ernst war. Ewald kaute am ersten Bissen seines Breitband-Menüs und schluckte erst mal herunter, denn mit vollem Mund sprach man nicht.
»Schon klar. A ber ich muss erst mal was essen. Mit nichts im Bauch kann man eh nicht gescheit streiten.«
Die Lastwagenfahrer kicherten, Rita warf ihnen einen zornigen Blick zu. Heinz, der Lkw-Cowboy, kam herangeschlendert, setzte sich auf die Kette der Fiat-Allis, grinste Rita kurz an und sagte dann zu Ewald:
»Völlig richtig, mein Junge. W as uns fehlt in diesem Land, ist Lebensart. Savoir vivre, da können wir was von den Franzosen lernen. Manchè, debattee … et après couchee …«
Die Lastwagenfahrer lachten laut, auch wenn mancher von ihnen die kleine französische A nzüglichkeit vielleicht nicht wörtlich verstanden hatte. Rita stieg der Ärger ins Gesicht.
»Kümmert euch um euren eigenen Mist!«
Die Lastwagenfahrer murrten: Sie wollten sich an ihrer Imbissbude nicht einfach das Maul verbieten lassen. Ein paar von ihnen kamen etwas näher wie Schaulustige bei einer drohenden Schlägerei. Einer von ihnen fragte:
»Was habt ihr da am Laufen? Scheidung oder was?«
Seine Kollegen lachten, und ein bärtiger Fleischkloß rief aus der Fahrerkabine seines Zwölf-Tonners herüber:
»Kennen wir doch: Kommst’ nach Hause von der T our, liegt ein Pole im Bett, sie reicht die Scheidung ein und macht sich’n faulen Lenz. Ich kenn einen, der hat bei einer Scheidung vier 17-Tonner verloren. Das sind insgesamt 68 T onnen, das musste dir mal reinziehen!«
Rita drehte sich zornig um und fauchte die T rucker an:
»Haltet einfach eure blöde Klappe!!!«
Heinz lachte und klatschte in die Hände.
»Temperament, die Dame. Sehr schön. Die Hysterie des W eibes mehrt das Glück des Mannes … bis es ihn in den W ahnsinn treibt!«
Rita stand der Zorn ins Gesicht geschrieben. Heinz schien das zu gefallen, er fixierte sie mit seinem Blick und sagte dann laut hörbar für alle:
»Gnädige Frau, wenn Sie reiten möchten, die Pferde stehen gesattelt im Hof!«
Nun kam Stimmung auf, die Lastwagenfahrer jubelten laut, einige klatschten sogar Beifall . Rita kannte solche Situationen, sie war auf dem Land aufgewachsen. A ls Nächstes würden sie wahrscheinlich »Ausziehen!« rufen. Mit V ernunft oder sachlichen A rgumenten war dieser Männer-Kumpanei nicht beizukommen. Die Kerle konnte man allenfalls ignorieren.
»Den Schlüssel für die Raupe!«
Ewald schüttelte stur den Kopf.
»Jetzt essen wir erst mal was …«
»Schlüssel!!!«
»Essen’s halt auch was, Frau Zieschke.«
Rita war kurz davor, die Geduld zu verlieren, auf die Raupe zu klettern und Fricker den Schlüssel aus der Hand zu reißen. A
Weitere Kostenlose Bücher