Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe
riskant, dass Lipka womöglich doch noch Sachen fand, die ihn nichts angingen. Karl war sich mittlerweile nicht mehr ganz sicher, auch wirklich alles auch nur entfernt spaltbare Material beiseitegeschafft und vernichtet zu haben. Es war auf jeden Fall besser, am Feind dran zu bleiben. Lipka hatte sich dann mit der Bemerkung verabschiedet, er wolle noch einmal bei T ino im »Tres Torres« zu A bend essen, und Karl hoffte, dass T ino nicht irgendwelche Details herausplapperte, die ihn und Rita betrafen. Oder den Zustand seiner Ehe.
Neben dem Feldbett standen ein Kasten Bier, sieben T üten Chips der Geschmacksrichtung »Paprika pikant« und eine Flasche W hiskey. A m Nachmittag hatte Karl heimlich seine Reisetasche mit frischer W äsche aus der W ohnung geholt. Drüben in der Maschinenhalle gab es eine kleine Dusche, und es wunderte Karl, dass sich keiner der A rbeiter je über deren desolaten hygienischen Zustand beschwert hatte.
Karl hatte nur noch Hose und Unterhemd an, war unrasiert und sah selber schon aus wie ein Kieswerker nach einem harten A rbeitstag. Er machte sich ein Bier auf und drückte immer wieder die Kurzwahltaste mit Ritas Nummer. Er hatte schon ein paarmal versucht, sie zu erreichen, nachdem sie ihn kurz hinter Leipzig aus der Leitung geschmissen hatte, aber entweder hatte Rita das Handy abgeschaltet, oder sie ging einfach nicht ran. W omöglich hing sie auch in irgendeinem Funkloch, wo immer das sein mochte.
Es war Karl sowieso ein Rätsel, wie Fricker es mit dem Fiat-Allis-Schrott bis dort hinauf geschafft haben konnte. Irgendwer musste ihn mitgenommen haben. A ber sich eine Spedition zu suchen und sich mitsamt der Raupe dort raufbringen zu lassen, für so schlau hielt er Fricker nicht. W enn überhaupt, hätte er das viel besser gleich von Ratzisried aus machen können.
Karl beschlich das Gefühl, nicht mehr ganz Herr seines großen Plans zu sein. Es waren im Moment einfach zu viele Unsicherheitsfaktoren für seinen Geschmack: Lipka mit seiner Detailversessenheit und Fricker mit seiner Schnapsidee, mit der Raupe durch Deutschland zu fahren. Rita, auf die offenbar auch kein V erlass war. A ußerdem konnte Karl nicht ganz ausschließen, dass seine Frau Karin irgendwelche Dinge ahnte, die sie besser nicht ahnen sollte.
Das Grundstück der Kiesgrube hatte Karl vor drei Monaten seinem alten Freund A ntesberger überschrieben, offiziell als Kompensation für die fingierte Lieferung von Baumaschinen. A ntesberger hatte ihm das Geld auf ein Schwarzkonto überwiesen, natürlich viel weniger als es eigentlich wert war. Mit einem Schlag fiel Karl ein, dass er damals zu seiner Sicherheit die V erhandlungen mit A ntesberger protokolliert und abgeheftet hatte, aber er war sich nicht mehr sicher, wo. Diese Protokolle durfte natürlich niemand zu A ugen bekommen, und er wollte sie eigentlich vernichtet haben. Jetzt wusste er plötzlich nicht mehr, ob er das wirklich getan hatte. Er nahm sich noch ein Bier, ging zum Schrank und fing an, die Ordner nach den Protokollen zu durchsuchen. Er hatte diese Ordner mit Geheimkürzeln gekennzeichnet, aber im Moment wusste er nicht mehr genau, welches Kürzel wofür stand. Ihm fiel auch auf die Schnelle kein Ort ein, wo er die Ordner verstecken konnte, weder zuhause noch auf dem Firmengelände, Lipka war einfach ein notorischer Schnüffler. Nachdem er etwa zwanzig Leitze mit kryptischen A ufschriften herausgezogen hatte, fand er die A ufzeichnungen zu A ntesberger. Zusammen mit anderen möglicherweise verdächtigen Schriftstücken schob er sie kurzerhand in den kleinen A ktenvernichter vom T yp »intimus 600«. Die Schnipsel würde er später irgendwo draußen auf dem Gelände verbrennen und die A sche vergraben.
»So kannst du doch nicht leben, Karl.«
Zwerger drehte sich um: Seine Frau Karin stand im Büro. Ihr Blick über das Lagerchaos zeigte trauriges Mitleid.
»Was um Himmels willen machst du hier, Karl?«
»Lass mich in Frieden, ich hab zu tun.«
»Das sehe ich.«
Karin schüttelte den Kopf, nahm sich einen Bürostuhl und setzte sich. Der »intimus 600« surrte vor sich hin und spuckte unvermindert in Streifen geschnittenes Risikopapier aus.
»Karl, führ dich nicht auf wie ein kleines Kind. Man kann die Firma retten. Es gibt ja nicht nur diese eine Bank.«
»Misch dich nicht in Sachen ein, die dich nichts angehen!«
»Wir beide können uns einen neuen Modus des Zusammenlebens ausdenken.«
»Welchen denn? Ich schaffe mir im Kies den Buckel krumm, und du
Weitere Kostenlose Bücher