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Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe

Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe

Titel: Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jockel Tschiersch
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911er zeigte.
    Lipka hielt Karl ein weiteres Blatt hin.
    »Hier haben wir ferner eine A nzeige wegen Sachbeschädigung und vorsätzlichen Herbeiführens von Flurschäden seitens eines mecklenburgischen Golf&Country-Clubs. Spielen Sie Golf, Herr Zwerger?«
    »Einen Scheißdreck tue ich. Meine Frau spielt Golf, aber die wird’s ja nicht gewesen sein.«
    »Wie auch immer: Sie sollten dazu umgehend schriftlich Stellung nehmen, wenn ich Ihnen den anwaltlichen Rat geben dürfte. Das Fahrzeug können wir dann aus der Liste der vorhandenen Sachwerte streichen. Schade um die Polster aus Ziegenleder.«
    Karl Zwerger war kurz davor, Lipka von der Liste lebender Personen zu streichen, doch der ging höchst lebendig wieder zu seinem Computer.
    »Dann sollten wir uns nochmal mit dem Grundstück beschäftigen. Ich habe mich gestern A bend kurz mit Ihrer Frau Gattin ausgetauscht: Mir sind da ein paar finanzielle Details bezüglich des Grundstücks-Transfers noch nicht ganz klar. Sie sagten ja, Sie hätten den Erlös als geldwerten V orteil in Form von Baumaschinen erhalten.«
    Karl versuchte, ruhig zu bleiben.
    »Das war quasi ein Notverkauf. Die Hälfte habe ich ins Firmenkapital gesteckt, das haben die laufenden Kosten aufgefressen. Den Rest habe ich in Baumaschinen erhalten, und die sind größtenteils Schrott.«
    »Herr Zwerger, wir müssen das nur schlüssig und nachvollziehbar dokumentieren.«
    »Dann schaun S’ halt die Kontobewegungen an. Da sehen Sie ja, dass nix mehr da ist. Ich habe alles versucht, aber die Kosten sind zu hoch. Seit die Polen auf dem Markt sind, ist am Kies nichts mehr verdient.«
    »Dabei spricht ja der V olksmund sinnigerweise gern von ›Kies‹, wenn von Geld die Rede ist.«
    »Sehr witzig. Hab ich ja noch nie gehört!«
    »Jetzt seien Sie mal nicht so dünnhäutig, Herr Zwerger. Man sollte auch in einer prekären Lage den Humor nicht verlieren.«
    Karl war auf der Hut: Er durfte sich nicht zu kontraproduktiven Emotionen hinreißen lassen, er musste nur den verzweifelten Kiesunternehmer spielen. Der größte T eil der Summe, die ihm sein Kumpel A ntesberger für das Grundstück gegeben hatte, war relativ sicher auf einem Schweizer Nummernkonto geparkt. Seine besten Baumaschinen hatte er vor ein paar W ochen nach Italien verkauft, gegen bar, und die Italiener hatten ihm nachts noch ein paar alte Schrottgeräte auf den Hof gestellt. Karl war ja kein A nfänger auf diesem Gebiet, in kleinerem Rahmen hatte er solche T ransaktionen auch schon als A utohändler durchgezogen – erfolgreich. Er musste jetzt nur die Nerven behalten.
    »Herr Zwerger, wie haben Sie eigentlich in den letzten Monaten den laufenden Betrieb aufrechterhalten mit dem minderwertigen Material?«
    »Ich habe alles versucht, den Betrieb zu retten. Und meine Leute haben halt auch mit dem alten Glump ihre A rbeit gemacht.«
    »Schade, dass die jetzt auf der Straße stehen.«
    »Hätte ich schon früher Pleite machen sollen?«
    »Unternehmer sein in Deutschland ist kein Osterspaziergang, da gebe ich Ihnen schon Recht. Ist Ihre reizende Disponentin eigentlich schon wieder aufgetaucht? A n Frau Zieschke hätte ich auch noch ein paar Fragen.«
    »Frau Zieschke hat sich krank gemeldet.«
    »Ach. W as hat sie denn?«
    »Das darf ich Ihnen aus Datenschutzgründen leider nicht sagen. A ber ich kann Ihnen gerne noch einen Kaffee machen.«
    »Das wäre äußerst reizend, Herr Zwerger.«
    Karl ging an die Kaffeemaschine und drückte auf die »Cappuccino«-Taste, ihm selbst stand der Sinn im Moment eher nach einem doppelten W hiskey ohne Eis. Eins war ihm klar: Für diesen Herrn Lipka musste er sich zeitnah eine neue Strategie ausdenken. Da würde ihm schon etwas einfallen, renitente Klienten waren schon damals bei Honda in Kempten seine Spezialität gewesen.
    Mit geradezu respektabler Präzision lenkte Rita die Raupe über die kleine Landstraße in Mecklenburg, immer fast genau einen halben Meter vom rechten Fahrbahnrand entfernt. Seit fünf Stunden saß sie an den Hebeln der FL 10 und hatte bis auf einen kurzen Halt an einer T ankstelle keine Pause gemacht. Ewald hatte immer seltener eingreifen müssen, jetzt hockte er neben Rita und spielte leise auf dem A kkordeon. Rechts neben der Straße tauchte hinter ein paar Büschen ein altes Kieswerk auf, und Rita musste kurz an Karl Zwerger denken. Das Gelände neben der Straße sah verlassen aus, und Rita stellte sich vor, dass vielleicht in Ratzisried auch bald die Büsche auf den Kieshügeln wuchern

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