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Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe

Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe

Titel: Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jockel Tschiersch
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hatte, von außen, für immer. Guido war Immobilienmakler gewesen, hatte verdammt gut ausgesehen und war mit seinen knapp vierzig Jahren ein höllisch guter Liebhaber gewesen. A ls es dann zum Streit mit ihrem V ater gekommen war, hatte Rita sich von Guido an der Hand nehmen und sich mitten in die größte anzunehmende Glückseligkeit entführen lassen. Damals war sie gerade mal 23 Jahre alt, und alles war so furchtbar spannend gewesen mit dem reifen Mann, der wusste, wie das Leben lief. Zusammen wollten sie durch die Lande ziehen und sich auf der aufkommenden Öko-Welle einen goldenen A rsch verdienen. Guido hatte eine Generalvertretung für original dänische Öko-Holzhäuser aufgetan, die er den Leuten komplett mit Baugrundstücken und Öko-Zertifikaten anbot.
    Viel zu spät hatte Rita gemerkt, dass die Zertifikate gefälscht waren, die minderwertigen Bausätze aus Rumänien stammten und Guido A nzahlungen kassiert hatte, bevor die Kunden gemerkt hatten, dass sie so etwas gar nicht aufstellen durfen.
    Guidos »No risk, no fun«-Maxime hätte sie beinahe um das bisschen gebracht, was sie besaß: V erstand und Lebenslust. Und mit seinem »Don’t panic too early« hatte er sie beide zumindest finanziell an den Rand des Ruins bugsiert. Sie hatte nicht früh genug gemerkt, dass sich Lebensglück für Guido im W esentlichen auf Häuser, A utos und Sex reduzieren ließ und dass genau dieser Reichtum bei ihm oftmals nur aus Projektionen und Sprüchen bestanden hatte. Guido war, bis auf ein paar lichte Momente, ein Blender und Betrüger gewesen. W enn Rita ihm sein »Never change a winning team« beizeiten um die Ohren gehauen hätte, wäre ihr viel erspart geblieben. A usgerechnet jetzt musste sie wieder an diesen Fertighaus-Idioten denken. A ber eins wurde ihr immer klarer: Karl Zwerger war auch nicht der Märchenprinz, der sie aus ihrem unbewältigten Sumpf herausziehen würde. Das musste sie schon selber machen, zur Not mithilfe einer Planierraupe. Sie schob die trüben Gedanken beiseite und sah hinüber zu Ewald, der zufrieden neben ihr saß und den A usblick genoss.
    »Der Mutter von diesem T ätowierer heute Morgen hast du eine große Freude gemacht …«
    »Ja mei, die war halt auch ein armer Hund.«
    »Hast du eigentlich keine Freundin, Ewald?«
    »Tu du einfach nur schön gradaus fahren!«
    Rita beschloss, diese Frage auf die »No-Go«-Liste zu setzen. Schließlich musste man sich menschlich nicht benehmen wie eine Planierraupe, wenn man schon leidenschaftlich gern damit fuhr.
    »Wenn du willst, kann ich dir das Lesen beibringen.«
    Ewald grinste Rita an.
    »Bloß weil ich wüsste, wie man ›Freundin‹ schreibt, hätt ich auch noch keine.«
    »Willst du denn eine?«
    »Man kriegt halt nicht immer alles, was man will. Und schon gar nicht dann, wenn man’s am meisten will.«
    Darüber wollte Rita jetzt gar nicht genauer nachdenken.
    »Es geht doch alles viel einfacher, wenn man lesen und schreiben kann.«
    »Bis jetzt hat’s auch so ganz gut funktioniert.«
    »Aber bis jetzt warst du auch noch nie weg aus Ratzisried. Und wenn du irgendwann nach A frika willst, dann wär’s schon ganz gut, wenigstens die Schilder lesen zu können.«
    »Die werden da auch nicht alles auf Deutsch hinschreiben.«
    Ewald wusste selbst, dass das kein A rgument war. Rita hatte schon Recht: Er war zum ersten Mal abgehauen von zuhause, und er ahnte, dass danach vielleicht nicht alles mehr so sein würde wie vorher. A ber das würde er sich nachher überlegen, nach der Meisterschaft, ob es sie nun gab oder nicht. Jetzt musste er erst mal da oben sein.
    Hinter einem W äldchen mündete von rechts ein kleines Sträßchen ein, ein verwittertes Schild zeigte an, dass es dort nach Zarnewanz ging. Rita hielt an.
    »Nicht abbiegen, das ist ein Umweg, da fahren wir in Richtung Sonne.«
    »Nur kurz, mir zuliebe …«
    »Aber da kommen wir nie an die Ostsee.«
    »Doch, doch, das stimmt schon.«
    »Woher willst du denn des wissen? Steht das da drauf?«
    »Ich kenn die Gegend …«
    »So eine Gegend kennt man doch nicht.«
    Rita gab Gas und fuhr in den W eg, der nach Zarnewanz führte.
    Der Dorfplatz, in dessen Mitte die Kirche stand, sah aus wie ein verwunschenes A rrangement für das T itelblatt eines Fremdenverkehrsprospekts. Die Kirche war aus rotem Backstein, ein Mäuerchen umgab sie, aber alles wirkte, als wäre es in einen unfreiwilligen Dornröschenschlaf gefallen, der seinen einzigen Grund in kommunaler Finanznot hatte. Einzelne Ziegel

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