Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe
du das? Du bist doch Zimmermann und kein Maurer.«
Mirko lachte.
»Junge, wenn man auf W anderschaft ist, tut man eben, was zu tun ist.«
»Wie lang bist du schon unterwegs?«
»Letzten Monat waren es zwei Jahre, seit ich weg bin von zuhause.«
»Ich bin auch schon drei T age unterwegs. A ber ich bin zum ersten Mal weg.«
»Da gewöhnt man sich dran. W irst sehen, bald willst du gar nicht mehr nach Hause.«
»Ich fahr dann schon wieder zurück, nach der Meisterschaft.«
Ewald bemerkte, dass Rita im Friedhof stand und sich die Gräber ansah. Der Pastor kam aus der Kirche und ging auf Rita zu. Mirko grinste Ewald breit an.
»Pass bloß auf: Der feine Herr Pfarrer spannt dir gleich deine Freundin aus!«
»Ich hab keine Freundin.«
»Wenn das nicht dein Mädel ist, warum fährt die dann mit dir auf der Raupe durch die Gegend?«
»Die hat den Zug verpasst, und der Porsche ist Schrott.«
Mirko fing laut an zu lachen.
»Willst du mich verarschen?«
»Außerdem fährt sie saumäßig gern mit der Raupe. Und jetzt mach weiter, sonst wird der Mörtel hart.«
Ewald sah hinüber zum Friedhof. Der Pastor stand ganz dicht hinter Rita, fast berührte er sie. Ewald hörte natürlich nicht, was die beiden sprachen.
»Mecklenburg hat viel Platz für seine T oten. Ich beerdige hier mehr Menschen, als ich verheirate. Die Frauen laufen weg von hier, vor allem die klugen und die schönen. So wie du.«
Rita schüttelte den Kopf, ohne den Blick von dem Grab zu lösen, vor dem sie stand.
»Warum bist du damals abgehauen, Rita?«
»Für mich war hier kein Platz mehr.«
»Ich war ganz schön verknallt in dich, Rita, damals in der Schule.«
»Wir waren Kinder, Niels.«
Rita fand es schon etwas absurd: Ausgerechnet der schöne Niels Priplow war Priester geworden. Und hatte sich nach Zarnewanz versetzen lassen, dorthin, wo sie nicht tot über dem Zaun hätte hängen wollen. Dabei hätte Niels einen smarten Bischof abgegeben oder zumindest einen Fernsehpfarrer.
»Warum bist du weggelaufen, Rita?«
»Warum wohl? Die große Liebe. Das große Geld.«
»Und?«
»Wurde der große Reinfall draus.«
»Für eine Liebe muss man kämpfen.«
»Bist immer noch ein Sülzkopp wie damals. Dieser Guido aus Kassel war definitiv ein A rschloch. Hat nur Geld und andere W eiber im Kopf gehabt. Latent depressiv und unfähig für jegliche Form von Gemeinsamkeit. Ich dumme Pute hab nur viel zu lange gebraucht, um das zu kapieren. Etwa fünf Jahre zu lang. Dann war das Geld weg, er hatte eine A ffäre nach der anderen, und ich hab in Kassel gehockt und nur noch geheult.«
»Warum habt ihr keine Kinder gehabt?«
»Das hätte grade noch gefehlt!«
Niels Priplow nickte stumm.
»Alles im Leben hat seine Zeit.«
Rita verkniff sich eine Bemerkung: Schon vor zwanzig Jahren war Niels ein betulicher W eisheitenverbreiter gewesen, aber sein Sülz-Faktor hatte sich offenbar noch verstärkt: Vielleicht war das aber auch nur ein Kollateralschaden des Priesterdaseins in der mecklenburgischen Diaspora zwischen Überalterung und Landflucht.
»Und was machst du jetzt, Rita?«
»Jetzt lebe ich in Süddeutschland und bin eigentlich ganz zufrieden.«
»Eigentlich.«
»Eigentlich.«
»Und doch kommst du hierher, um Frieden zu schließen.«
Rita schloss erst einmal die A ugen und atmete tief durch. Sie mochte die Richtung, die das Gespräch nahm, ganz und gar nicht.
»Es gibt keine Zufälle im Leben, Rita. Es hat einen Grund, dass du hier bist.«
»Du meinst, der liebe Gott hat mich auf eine Planierraupe gesetzt und hierhergeschickt, damit ich vor meinem A lten auf die Knie falle oder wie?«
Niels Priplow legte seine Hand vorsichtig auf Ritas A rm.
»Dein V ater hat sich immer nur gewünscht, dass du ihm hilfst mit dem Gutshaus.«
Rita schob die Hand des Pastors weg.
»Mein V ater hat immer nur an sich selber gedacht. Und dabei den großen Gutmenschen gespielt. W enn’s eine Hölle gibt, dann ist die ein Gutshaus in Mecklenburg!«
»Sei nicht ungerecht, Rita. Es wäre doch wirklich eine schöne Gelegenheit, die Sache ins Reine zu bringen und um V ergebung zu bitten.«
»Den T eufel werd ich. Soll er doch verschimmeln in seinem Gutshaus. Und wenn, dann müsste er mich um V ergebung bitten für das, was er mir und meiner Mutter angetan hat.«
»Es schmerzt ihn sehr, seine T ochter verloren zu haben.«
Rita lachte kurz auf.
»Woher willst du das eigentlich wissen? Hat er auf einmal angefangen zu beten?«
»Dein V ater ist ein alter
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