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Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe

Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe

Titel: Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jockel Tschiersch
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waren herausgefallen, Gräser und kleine Bäumchen hatten sich im maroden Mauerwerk angesiedelt. Rita brachte die Raupe vor der Kirchentür zum Stehen. Sie hatte genug in Ruinen herumgewerkelt, um mit einem Blick zu sehen, dass es höchste Zeit war, die Kirche vor dem endgültigen V erfall zu retten.
    Das hatte man offenbar bereits erkannt, auf dem Dach der Kirche arbeiteten zwei junge W andergesellen, fahrende Zimmerleute. Sie trugen schwarze Cordhosen mit weitem Schlag, die Ärmel ihrer weißen Hemden hatten sie hochgekrempelt. Der eine von ihnen war spindeldürr und hatte kurze rotblonde Haare, der andere war klein und kräftig gebaut, Ewald sah seine kräftigen Muskeln unter dem weit offenen Hemd. T rotz der Hitze trugen die beiden ihre schwarzen Schlapphüte, während sie da oben über die Biberschwanzziegel liefen, als gäbe es für sie weder Höhe noch Dachneigung. A uf einer Fläche von etwa drei mal fünf Metern waren die Ziegel abgedeckt, und dass die Balken darunter morsch und verfault waren, konnte Rita sogar von unten aus erkennen. Selbst einem Laien wäre klar gewesen: Dieses Kirchendach hätte den nächsten Schneefall nicht überstanden.
    Die beiden Zimmerleute hatten Rita natürlich längst bemerkt, hier in Zarnewanz wäre jede Frau aufgefallen und eine schöne Frau auf einer Planierraupe schon dreimal.
    »Seid aufs Beste begrüßt! Lars und Mirko, zwei ehrbare Zimmerleut bei ehrbarer A rbeit!«
    Mirko, der Kräftige der beiden, der gesprochen hatte, kam näher und tätschelte die Motorhaube der Fiat.
    »Schönes W erkzeug habt ihr da. W usste gar nicht, dass es so was auch als Damenmodell gibt!«
    Der lange Lars auf seinem V ordach gab ein hüstelndes Lachen von sich, Mirko dagegen war von seinem eigenen W itzchen äußerst amüsiert. Er schien, seiner Sprache nach, aus Sachsen zu kommen.
    »Ihr könntet bisschen mit hinlangen beim Schinagln mit eurem Monstrum!«
    Ewald wusste, dass die fahrenden Zimmerleute »schinagln« sagten, wenn sie »schaffen« meinten, aber er war nicht sonderlich begeistert von der Idee, es war noch nicht einmal Mittagszeit, und er wollte weiter. Der Pastor, der einen schwarzen A nzug mit dem Beffchen der Evangelen trug, kam aus der Kirchentür. Der Mann war etwa vierzig Jahre alt, von mittlerer Größe und sah gut aus: Er erinnerte Ewald an einen amerikanischen Schauspieler, den er mal im Fernsehen gesehen hatte. Sein dunkles Haar war etwas lang für einen Pastor, und er hatte strahlend blaue A ugen.
    »Euch schickt mir der Himmel!«
    Ewald winkte ab.
    »Nein, nicht der Himmel, der Zwerger. W eil ich den T ieflader nicht gekriegt hab.«
    Mit einem Seitenblick bemerkte Ewald, dass Rita dem Blick des Pastors auswich. Sie sah einmal kurz zu Boden, dann hob sie den Kopf aber wieder und sah dem Pastor direkt in die A ugen. Jetzt schien die Zeit für einen Moment lang stehen zu bleiben, beide wirkten, als würden sie in einer A rt T agtraum schwimmen, in einer Zeitschleife, die überall sein konnte, nur nicht hier und jetzt in Mecklenburg, auf diesem Dorfplatz von Zarnewanz. Ewald drehte sich zu Rita um.
    »Ist irgendwas, Rita?«
    »Nein, nein, schon gut.«
    Lars und Mirko kraxelten beängstigend behende auf einer zusammengenagelten Holzleiter vom Dach herunter, Mirko sprang, kaum am Boden, auf die Raupe zu, um Rita mit seinen starken A rmen beim A bsteigen behilflich zu sein, ganz wie ein Kavalier aus alten T agen. Rita lehnte dankend ab.
    Der Pastor lächelte aufmunternd.
    »Wir könnten wirklich ein wenig Hilfe gebrauchen.«
    Ewald hob verlegen die Schultern, was allerdings sofort als Zustimmung zu unbezahlten Hilfeleistungen aufgefasst wurde.
    »Der Dank des Herrn ist euch sicher.«
    Ohne Rita noch einmal in die A ugen zu sehen, verschwand der Pastor in seiner maroden Kirche.
    Nach einer kurzen Brotzeit stieg Lars wieder aufs Dach, Ewald fuhr zusammen mit Mirko hinüber zur Ruine einer ehemaligen LPG . Sie klopften alte Ziegel aus den Mauerresten heraus, befreiten sie von Mörtelklumpen, packten sie in die Schaufel der Fiat. Mirko warf Ewald päckchenweise alte Dachziegel vom ehemaligen Stall herunter, Ewald fing sie auf und legte sie zu den anderen Ziegeln. Drei solcher Fuhren brachten sie zur Kirche und luden sie dort ab.
    Oben auf dem Dach sägte Lars die morschen Sparren heraus, Mirko mischte in einem Eimer Mörtel an, um die baufällige Friedhofsmauer mit den LPG -Ziegeln wieder aufzufüllen.
    Ewald ging Mirko zur Hand, reichte ihm Ziegel und Mörtel an.
    »Woher kannst

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