Ritter 01 - Die Rache des Ritters
Wut zur Erde und schlug nicht weit von Gunnar entfernt in eine große Eiche ein. Der uralte Baum stöhnte auf, knarrte und ächzte unter der Gewalt des zerstörerischen Einschlags. Orangefarbene Flammen und weiße Funken stoben aus dem mächtigen Stamm auf, als er gespalten wurde, wirbelten hoch in die kalte, dunkle Nacht.
Gunnars Pferd wieherte schrill und bäumte sich auf, warf ihn aus dem Sattel.
Er traf hart auf dem Boden auf. Dabei schwanden ihm kurz die Sinne, und alle Luft wurde mit einem Keuchen aus seiner Lunge gepresst. Benommen lag er auf dem Rücken, unfähig, sich zu bewegen, unfähig zu atmen, und blinzelte hinauf zum Himmel und schnappte mühsam nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. Regen schlug ihm ins Gesicht. Der Rauch von der zischend verbrennenden Eiche wurde vom Wind herübergetragen, stach ihm in die Augen, während in seinem Kopf eine Flut verschwommener Bilder und Töne durcheinanderwirbelte.
Rainas Gesicht tauchte vor ihm auf, unschuldig und wunderschön. Sie lächelte zärtlich auf ihn herunter, und er flüsterte ihren Namen. Gunnar fühlte ihren Namen in jeder Faser und jedem Knochen seines Leibes widerhallen, die Melodie ihres Namens war ihm sowohl Qual als auch Balsam. Er dachte, sie würde ihm die Hand reichen, betete, dass sie es tun würde, aber ihr Gesichtsausdruck veränderte sich, Schmerz spiegelte sich in ihren Augen, und ihr in die Ferne gerichteter Blick schimmerte von ungeweinten Tränen.
Wie jämmerlich, sich mehr um die Toten als um die Lebenden zu kümmern.
Nein! Er wollte es herausschreien, herausbrüllen, dass es nicht wahr war, wollte es ihr beweisen, aber ihr Bild verschwand, schwebte von ihm fort, ihre Gesichtszüge wurden blasser und blasser, bis sie nicht mehr war als ein Wispern aus grauem Rauch, der in die Dunkelheit aufstieg.
Gunnar presste die Augen zusammen, schluckte den Kloß des Bedauerns hinunter, der sich in seiner Kehle gebildet hatte. Niemals in seinem Leben hatte er sich so leer und vollkommen allein gefühlt. Mehr als allein … er fühlte sich einsam. So voller Furcht und so müde und mit einer großen Sehnsucht nach Trost.
Ob es der Wind war oder der Regen oder eine Ausgeburt seiner Fantasie, er wusste es nicht, aber neben seinem Ohr hörte er das besänftigende Wispern der Stimme seiner Mutter, die ihm zuflüsterte, dass alles wieder gut werde, dass sie ihn liebe.
Denke an den Mut deines Vaters … seine Ehre … und lass mich stolz auf dich sein.
Die Bitte, die ihn seit so langer Zeit in seinen Träumen verfolgte, die Worte, die ihn gedrängt und getrieben hatten, zu kämpfen und den Tod seiner Eltern zu rächen … diese Worte schienen plötzlich eine ganz andere Bedeutung zu haben. Sie klangen sanft, sprachen nicht von Rache und Tod, sondern von etwas anderem. Leben. Liebe.
Oh Gott, hatte er sich all diese Jahre geirrt?
Welchen Mut brauchte es, einen schwachen alten Mann zu töten? Welche Ehre lag darin, dessen Tochter zu rauben? Keine, gewiss nicht, und Gunnar bezweifelte, dass seine Eltern auch nur das geringste Maß an Stolz empfunden hätten, weder über das, was aus ihrem Sohn geworden war, noch über die Ruine, die er aus seinem Leben gemacht hatte.
Ein Teil von ihm wusste, dass es viel größeren Mut erfordern würde, seinem Feind mit Frieden im Herzen entgegenzutreten, ihn anzuhören, seine Entschuldigung anzunehmen und ihm zu vergeben. Er wusste auch, dass er nie wieder für sich in Anspruch nehmen konnte, sich ehrenhaft zu nennen, solange er Raina gegen ihren Willen auf der Burg festhielt, als Gefangene in seiner Burg und in seinem Herzen. Aber hatte er die Stärke, das zu tun, von dem er jetzt wusste, dass es das Richtige war?
Mochte Gott ihm verzeihen, aber er wusste es nicht.
Sein ganzes Leben lang hatte er gegen seine Gefühle angekämpft, hatte seine Ängste verleugnet, seine Schwächen versteckt. Dreizehn Jahre lang waren Mut und Ehre für ihn gleichbedeutend gewesen mit Vergeltung. Jetzt, da er so nah davor war, diese Vergeltung endlich zu üben, schien es, als habe sich dieses Verständnis geändert. So wie er die flehende Bitte seiner Mutter jetzt in einem ganz anderen Licht sah, standen auch Mut und Ehre jetzt für etwas anderes, etwas Neues. Er hatte beides bei einer stolzen Frau mit einem sanften Herzen und einem liebenden Wesen gefunden. Seine wunderschöne Raina, seine Geliebte.
Als Gunnar sich erhob und sein Pferd bestieg, drehten sich seine Gedanken weder um Mut noch um Ehre. Alles, was seine Gedanken
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