Ritter 01 - Die Rache des Ritters
Bett liegen zu lassen. Aber dennoch verlangte die Frage nach einer Antwort.
Konnte ihr Vater wirklich solcher Verbrechen fähig sein?
Raina betete darum, dass der Beutel leer sein möge, als sie den Finger unter die Lederbänder schob und ihn zu sich heranzog. Er fühlte sich leicht an, sein Gewicht war nicht schwerer als das Material, aus dem er gemacht war. Aber als sie ihn über eine unebene Stelle der Decke zog, klirrte etwas Metallenes in dem Beutel.
Gänsehaut überzog Rainas Glieder, als sie die Verschnürung öffnete und sich den Inhalt des Beutels in die hohle Hand schüttete. Der Rubinring, den ihr Vater ihr geschenkt hatte – der, dessen Anblick Gunnar so wütend gemacht hatte – , fiel heraus. Ihm folgte noch ein Ring. Er war größer, eindeutig für einen Mann gedacht, aber von derselben Art wie ihrer.
Nein, nicht wie meiner, korrigierte sie sich.
Denn dies waren offensichtlich Ringe für einen Mann und eine Frau – für ein Paar. Symbole eines Bundes zwischen zwei Menschen, die sich liebten, ihr Leben miteinander teilten. Und die Tatsache, dass ihr Vater in den Besitz der einen Hälfte dieses Ringpaares gekommen war, konnte nur eines bedeuten. Er war an jenem Tag auf Wynbrooke gewesen.
Gunnar hatte recht gehabt: Der Ring war ein Familienerbstück …
Seiner Familie.
Ihr Vater, der sie dazu erzogen hatte, die Wahrheit zu ehren und in Aufrichtigkeit zu leben, hatte sie belogen. Er hatte ihr den Ring als Zeichen seiner Liebe geschenkt, obwohl es eher ein Beweis für seine Bösartigkeit war, seine Niederträchtigkeit. Raina war es gelungen, ihre Zweifel bis jetzt zu unterdrücken. Bis sie diese Ringe gesehen hatte. Jetzt erfasste Scham sie wie eine Welle, die sie bis in ihre tiefste Seele erschütterte.
Wenn ihr Vater sie wegen des Ringes angelogen hatte … was hatte er dann noch vor ihr verborgen?
Sie musste Gunnar finden, musste ihm sagen, dass es ihr leidtat … um alles. Er war gekommen, sich dafür zu entschuldigen, dass er sie unfreundlich behandelt hatte, und sie hatte ihn mit ihren Zweifeln gequält und seinen Charakter infrage gestellt. Verzweifelt darum bemüht, es wiedergutzumachen, lief sie aus dem Raum und die Treppe hinunter.
»Gunnar!«, rief sie und lief zur Halle, in der sie Stimmen hörte. »Gunnar!«
Eine Handvoll Männer saß bei einem Würfelspiel um den Tisch herum und schaute Raina fragend an.
»Habt Ihr Euren Lord gesehen?«, fragte sie, blind für die hochgezogenen Augenbrauen und die überraschten Blicke, die die Männer untereinander wechselten. »Ich muss ihn finden«, flehte sie. »War er hier?«
»War er«, sagte eine raue Männerstimme hinter ihr.
Raina fuhr herum und sah sich Burc gegenüber, der mit vom Trinken glasigen Augen auf sie zukam. Er stank nach abgestandenem Wein und Schweiß, und Raina krümmte sich innerlich vor Widerwillen zusammen.
»Wo ist er?«, fragte sie.
Der Ritter zuckte die Achseln. »Weggegangen.«
Der abschätzige Ausdruck in Burcs Augen ließ Raina die Haare im Nacken zu Berge stehen. Sie ballte die Fäuste und versuchte, an dem Mann vorbeizugehen. Er stellte sich ihr in den Weg, schnitt ihn ihr ab.
»Ich bitte Euch, gebt mir den Weg frei, Sir«, sagte sie und sah ihn dabei offen an.
Burc zog amüsiert die Augenbrauen hoch, auf seiner Stirn glänzte Schweiß. »Du bittest mich?«, wiederholte er mit einem gemeinen Grinsen. »Es würde mir sehr gefallen, das zu erleben, Weib.«
Raina schürzte die Lippen und machte rasch einen Schritt zur Seite. Burc tat es ihr gleich und grinste. Ganz offensichtlich genoss er dieses Katz-und-Maus-Spiel.
»Lass sie vorbei, Burc«, hörte Raina einen der Ritter aus der Halle rufen.
Burc rührte sich nicht.
Raina nahm all ihre Kraft und Entschlossenheit zusammen und stemmte die Hände gegen seine Schultern. Sie brachte ihn aus dem Gleichgewicht und schlüpfte rasch an ihm vorbei, als er taumelte. Sie floh den Gang hinunter zur Treppe, die zum Burghof führte, und war unschlüssig, wohin sie sich wenden sollte. Sie wusste nur, dass sie fort von Burc wollte. Sie kam jedoch nicht weit. Er packte sie an den Haaren und riss sie scharf zurück. Raina schrie vor Schmerz auf, aber Burc wand sich ihr Haar um die Hand und zog sie zu sich. Er drückte seinen dicken Zeigefinger auf ihre Lippen. »Schscht«, zischte er, und sein saurer Atem schlug ihr dabei ins Gesicht.
»B-Bitte«, stammelte sie. »Lasst mich gehen!«
Burc grinste und schüttelte grimmig den Kopf. »Ich habe kein mit Eurer Erlaubnis
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