Ritter 01 - Die Rache des Ritters
fiel jetzt sanft in die Pfützen um sie herum.
Burc stöhnte, was Gunnars Aufmerksamkeit wieder auf das zerschundene Gesicht des Ritters lenkte. Von Abscheu erfüllt erhob sich Gunnar von ihm und wischte sich mit dem Unterarm über die Stirn. Er schaute über die Schulter dorthin wo Raina stand, und sein Herz hörte fast auf zu schlagen.
Sie zitterte und starrte ihn in stummem Entsetzen an, eine Hand vor den Mund geschlagen. Tränen rannen über ihre Wangen. Ihre Augen waren unverwandt auf ihn gerichtet, groß und voller Furcht, und Gunnar begriff, dass ihr Entsetzen nicht dem Schuft galt, der sie fast vergewaltigt hätte, sondern ihm. Er streckte die Hand nach ihr aus, um sie zu beschwichtigen. Ihr Blick wanderte flackernd zu seiner Hand. Sie wich zurück, schüttelte heftig den Kopf.
»F-Fass m-mich nicht an!«, stieß sie fast hysterisch hervor.
Gunnar wandte den Blick von ihr ab, sein Kiefer mahlte, als er auf seine ausgestreckte, blutbefleckte Hand starrte. Er runzelte die Stirn und ballte die Hand zur Faust, während Burc sich mühsam erhob, sich auf Hände und Knie stützte und in den Schlamm hustete.
»Du hast mir meine verdammte Nase gebrochen«, lallte er und spuckte etwas in eine Pfütze, vermutlich einen Zahn.
Gunnar beachtete ihn nicht; genau genommen hörte er ihn kaum. Seine Aufmerksamkeit war allein auf Raina gerichtet und darauf, die Angst zu mildern, die sich in ihren Augen widerspiegelte. Er musste sie nur anschauen, um zu wissen, was sie dachte. Er hatte die Kontrolle über sich verloren, und sie hatte in ihm das Tier gesehen, das er tatsächlich war. Und jetzt hatte sie Angst vor ihm. In ihren Augen würde er sich nie wieder über das Tier erheben können, das sie heute Nacht erlebt hatte, und sein Herz schmerzte bei diesem Begreifen.
»Raina.« Er sagte ihren Namen wie ein Flehen und ging zögernd auf sie zu. Er wollte sie nur in seinen Armen spüren, musste wissen, dass ihr nichts geschehen war.
Sie schüttelte stumm den Kopf und holte tief und zittrig Luft. »Ich will nicht, dass du mich anfasst«, flüsterte sie, und ihre Stimme wurde etwas fester, als sie fortfuhr: »Bitte, lass mich einfach in Ruhe!«
Sie ging an ihm vorbei zum Turm, ließ ihn neben Burc im Regen stehen. Gunnars schmerzerfüllter Blick folgte ihr, geistesabwesend bemerkte er das Entsetzen, das sich auf den Gesichtern der übrigen Burgbewohner malte, die sich inzwischen am Eingang des Turms versammelt hatten. Im Lichtschein ihrer Fackeln sah er, dass auch sie ihn für ein Ungeheuer hielten. All diese Jahre hatte er niemandem erlaubt, das Ungeheuer in ihm zu wecken, und obwohl er in zahllosen Schlachten an der Seite dieser Männer gekämpft hatte, hatte er stets kühle Beherrschung gezeigt. Unmenschlich, so hatten sie ihn genannt, und Gunnar trug dieses Etikett ohne Bedauern. Sich menschlich zu zeigen, erforderte Gefühl, und Gefühl bedeutete Schwäche.
Gunnar hatte keine Schwächen … bis jetzt.
Bis er Raina begegnet war.
Gunnar wappnete sich gegen diesen Gedanken und wandte sich zu Burc um. Ich könnte ihn töten und wäre im Recht, dachte er. Der Mann hatte es gewagt, etwas in Besitz zu nehmen, das seinem Lord gehörte, und Gunnar hatte jedes Recht auf Vergeltung. Der Gedanke, dass Burc seine Hände auf Rainas zarte Haut gelegt hatte, brachte Gunnars Blut fast zum Kochen. Die Vorstellung einer von diesem Schwein geschändeten Raina ließ ihn darauf brennen, dem Hundesohn das Herz herauszuschneiden.
Nein, Burc tot sehen zu wollen, hatte wenig mit Lehnstreue und Misstrauen zu tun – jedoch alles mit Raina. Burc zu töten, auch wenn er das Recht dazu hatte, geschähe ganz und gar aus persönlichen Gründen.
»Verschwinde«, stieß Gunnar zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Burc schnaubte und wischte sich vorsichtig über die Unterlippe. »Dafür wirst du bezahlen, du verdammter – «
»Verschwinde! Und lass mich nie wieder deine Visage sehen, oder ich werde dich töten, das verspreche ich dir.«
Burc fluchte leise, dann humpelte er durch das offene Tor, während gleichzeitig die Jagdgesellschaft in den Burghof geritten kam. Die Männer warfen verdutzte Blicke auf den blutenden, verletzten Ritter, als sie an ihm vorbeikamen, sagten aber nichts, sondern kamen in großer Eile über den Hof geritten.
Alaric saß vor Wesley auf dessen Schlachtross und sah blass und erschöpft aus von dem, was letztlich doch noch eine erfolgreiche Jagd gewesen war. Auf dem Pferd des Squires lag ein großer Keiler,
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