Ritter 01 - Die Rache des Ritters
festgezurrt und gebunden. Die Reiter machten in der Mitte des Hofes halt, und alle bis auf Wesley und Alaric stiegen von den Pferden. Die Ritter, die zusammen mit Gunnar zur Burg zurückgekehrt waren, riefen ihnen Glückwünsche zu, als sie zu der Jagdgesellschaft kamen und einen Kreis um sie bildeten.
»Bei Gott, aber der Junge hat es geschafft!«, rief einer der Männer und schlug sich auf den Oberschenkel.
»Ja«, sagte Wesley, und sein Ton klang seltsam angespannt. Auch er stieg jetzt aus dem Sattel und zog dann Alaric zu sich herunter in seine Arme. »Aber er wird dafür vermutlich sein Bein hergeben müssen.«
Ein Raunen der Verwirrung und der Besorgtheit ging durch die Schar der Männer, als Gunnar zu ihnen trat. Er sah die Verletzung sofort – eine klaffende Wunde, verursacht von den messerscharfen Hauern des Keilers. Ein Frösteln durchlief ihn. »Bringt ihn ins Trockene«, befahl er und versuchte, das beunruhigende Schweigen der Männer nicht zu beachten. Als Wesley zögerte, stieß Gunnar einen Fluch aus, hob Alaric auf seine Arme und trug ihn eilig zum Turm. »Holt Raina!«, rief er über die Schulter. »Sagt ihr, sie soll Nadel und Faden bringen!«
Gunnar trug Alaric in die Halle, rief jemandem zu, für den Jungen einen Tisch frei zu machen. Agnes folgte dem Befehl sogleich und fuhr mit dem Arm weit ausholend über den nächstbesten Tisch, wischte Becher und Würfel zu Boden. Alaric stöhnte, als Gunnar ihn auf den Tisch legte und sich neben ihn kniete. »Ich hätte dich nicht da draußen lassen dürfen«, flüsterte Gunnar. »Verdammter sturer kleiner Welpe.«
Rainas besorgte Stimme von der Treppe her veranlasste Gunnar, abrupt aufzustehen. Nur einen Augenblick später war sie an seiner Seite, beugte sich über Alaric und trocknete ihm das nasse Gesicht mit ihrem Ärmel. Dann sah sie Gunnar anklagend an. »Was ist mit ihm geschehen?«
»Ein Keiler … «, murmelte Gunnar und schüttelte ernst den Kopf. »Er ist auf der Jagd verletzt worden. Ach verdammt. Sein Bein sieht schlimm aus … «
Rainas Aufmerksamkeit richtete sich ausschließlich auf den Jungen, während Gunnar hilflos hinter ihr stand. Sie öffnete den Verband von Alarics Bein, keuchte entsetzt auf und presste die Hand auf ihr Herz. Ihr Atem hörte sich an wie ein tiefes Seufzen, aber als sie sprach, war ihre Stimme ruhig und bedacht und absolut beherrscht. »Bring mir saubere Tücher, Agnes! Sehr viele! Und Decken.« Sie sah Dorcas an. »Ich werde viel Wein brauchen, um diese Wunde zu reinigen.« Beide Frauen liefen aus der Halle, um die Anweisungen auszuführen, während Raina sich wieder über Alaric beugte.
»Kannst du ihm helfen?«, fragte Gunnar hoffnungsvoll.
»Offen gesagt, weiß ich das nicht. Ich habe noch nie eine so tiefe, schwere Wunde gesehen.«
Gunnar schluckte hart. »Wesley meinte, er könnte das Bein verlieren.«
Raina warf den blutdurchtränkten Verband auf den Boden und wischte sich die Hände an ihrem Kleid ab. Ohne Gunnar anzusehen, erwiderte sie: »Ich bete vor allem darum, dass er am Leben bleibt.«
Die Bedeutung dieser Worte drückte schwer auf Gunnars Bewusstsein … und sein Herz. Alaric und sterben? Nein, unmöglich! Der Junge war zäh und so voller Leben, dass es für drei reichte. Er konnte doch nicht einfach so sterben!
Weiteres Grübeln wurde ihm erspart, als erst Dorcas und gleich darauf Agnes mit den geforderten Dingen zurückkamen. Raina blickte hoch und machte offensichtlich eine rasche Bestandsaufnahme. »Ich werde noch mehr Tücher brauchen; die Blutung wird nicht so bald aufhören – wenn überhaupt.« Nachdem die Frauen gegangen waren, wandte sie sich an Gunnar. Eisig. »Wie hast du das zulassen können?«
Genau diese Frage hatte er sich auch immer wieder gestellt – und war zu keiner Antwort gekommen. »Was hätte ich tun können, um es zu verhindern?«
»Du hättest ihn niemals zurücklassen dürfen!«, sagte sie anklagend. »Als sein Lord bist du für ihn verantwortlich. Für all diese Menschen hier.« Sie schüttelte den Kopf und stützte sich mit den Händen auf dem Tisch ab. »Wie erbärmlich, sich mehr um die Toten als die Lebenden zu kümmern.« Ihre scharfen Worte waren wie ein Messerstich in sein Herz. »Wann hörst du damit auf, den Menschen den Rücken zuzukehren, denen du etwas bedeutest?«
Sie stellte diese Frage ohne jede Boshaftigkeit und mit solch einem Schmerz in der Stimme, dass es ihn für kurze Zeit unfähig machte, etwas zu sagen. Er sah Raina nur an, wollte sie
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