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Ritter des dunklen Rufes

Titel: Ritter des dunklen Rufes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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wandern durch das Land und erhalten das Gleichgewicht. Wo nur Krieg und Pest und Tod herrschen, versuchen wir, das Weiß oder das Grün oder das Blau zu unterstützen. Wo alles Frieden und Ruhe ist, stärken wir das Rot und das Schwarz. Aber am meisten nutzen wir das Gelb, denn wie du jetzt weißt, Lámfhada, ist das Gelb lediglich das Gold in Verkleidung. Und es ist das Gold, das alle anderen Farben erhält.«
    »Warum weiß das niemand?« fragte Lámfhada.
    »Früher war es bekannt, Junge. Und durch solches Wissen machten sich die Menschen selbst zu Göttern und brachten Unglück über sich. Jetzt überlebt es in Volkssagen und Legenden. Die Sonnenanbeter ahnen das Geheimnis, sie beten die Sphäre des Goldes an, die die Erde ernährt. Denk darüber nach. Alles, was wächst und lebt und atmet, ist von der Sonne abhängig. Und ebenso verhält es sich mit den Farben. Das Gelb ist aus Unschuld und Kinderlachen geboren, genährt von dem Sinn für das Wunder, den die Jungen haben. Wenn seine Zeit gekommen ist, nährt es die anderen. Aber jetzt ist die Wahrheit ein Mysterium geworden, denn so ist es sicherer. Ich hüte das Mysterium. Nun wirst du es hüten.«
    »Was verlangst du von mir?«
    »Ich? Ich verlange nichts. Ich habe meine Aufgabe erfüllt, wie der Hüter vor mir die seine erfüllt hat. Er war der Dagda … jetzt bist du der Dagda.«
    »Das will ich nicht.«
    »Ich wollte es auch nicht. Es ist sehr einsam, Lámfhada. Und doch ist es erfüllend – du wirst es feststellen.«
    »Und wenn ich sterbe? Willst du mir etwa erzählen, dass dann die Welt endet? Das glaube ich nicht.«
    »Wenn du stirbst, wird ein anderer erwählt. Und du bist nur einer von vielen. Aber du wirst noch nicht sterben. Du hast in keiner der möglichen Zukünfte deinen eigenen Tod gesehen, nur den Tod deiner Ritter. Ich weiß es, denn ich habe auch die Zukunft gesehen. Ich werde dich jetzt verlassen – du brauchst Zeit zum Nachdenken.«
    »Wann kommst du zurück, um meine Antwort zu hören?«
    Der alte Mann lächelte. »Ich komme nicht zurück. Ich habe alles getan, was von mir erwartet wurde. Jetzt suche ich mir einen Ort. Ich werde die Sterne beobachten und in Frieden sterben und zu den Farben gehen.« Der Dagda zog sich hoch und sah Lámfhada in die Augen. »Du hast dich verändert, junger Mann, seit ich dich das erste Mal vor sechs Jahren auf dem Hügel gesehen habe, als du die Gabala-Ritter in ein Schicksal reiten sahst, das sie nicht verdienten. Und du wirst dich in den langen, einsamen Jahren, die vor dir liegen, noch mehr verändern. Zähle die Tage und die Monate und die Jahre. Eines Tages wirst du in das Gesicht eines Neuen blicken und sehen, was ich sehe. Leb wohl.«
    »Ich will das nicht. Das kannst du mir nicht antun«, tobte Lámfhada und sprang auf.
    Doch der alte Mann beachtete ihn nicht. Er hatte dieselben Worte schon einmal gehört. Vor einhundertzweiundvierzig Jahren, drei Monaten und acht Tagen. Aber damals war er es gewesen, der sie ausgerufen hatte.

19
     
    Grunzer zügelte seinen Hengst auf der Kuppe des Hügels und blickte in schweigendem Staunen auf die Kettenbrücke hinunter, die den Abgrund überspannte. Die Brücke bestand aus riesigen Eisenringen, von denen Stangen hingen, die wiederum mit weiteren Ringen verbunden waren. Daran waren Holzplanken befestigt. Die schwankende Konstruktion begann auf dem nördlichen Hang eines bewaldeten Hügels und erstreckte sich über fast fünfhundert Meter bis zu einem steinernen Sims unter einem Fallgitter. »Wie haben sie das nur gemacht?« fragte Grunzer Morrigan, die neben ihm ritt.
    »Einige Leute glauben, mit Magie«, antwortete sie, »aber mein Vater hat mir erklärt, dass sie zunächst eine einfache Seilbrücke bauten und sie allmählich verstärkten. Er sagte, es hätte über sieben Jahre gedauert, bis sie fertig war.«
    Grunzer wandte seine Aufmerksamkeit der eigentlichen Festung zu. Sie war aus der Flanke des Berges herausgeschlagen und überragte die Klamm wie ein riesiger Zahn. Soweit er sehen konnte, war die Zitadelle von Süden und Westen her uneinnehmbar: Nur die schmale Brücke bildete die Verbindung zum Wald. Die Festung war zum Norden hin von einer Mauer umgeben und brüstete sich mit zwei viereckigen Türmen oberhalb des Fallgitters. Grunzer konnte weder Wachen noch irgendeine Bewegung auf den Mauern sehen.
    »Mir gefällt der Gedanke nicht, über diese Brücke zu reiten«, sagte er. »Ich konnte Höhen noch nie leiden.«
    »Du wirst merken, dass sie dich

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