Ritter des dunklen Rufes
Seine geistigen Augen wanderten zu Morrigan, deren Schönheit im Mondschein einfach unbeschreiblich war. Er lächelte, als sie eine scharfe Bemerkung zu dem Bauern machte. Wie konnte sie hier sein, mit diesem Gesetzlosen ohne Stand?
Eine Zeitlang durchstreifte Samildanach den Wald, auf der Suche nach Anzeichen für eine größere Truppenkonzentration. Er hatte jedoch nicht die Zeit, den ganzen Wald abzusuchen, und kehrte zu der Höhle zurück. Dort schwebte er im Eingang und konzentrierte sich ganz auf den blondenjungen Mann, der neben drei goldenen Hundestatuen schlief.
»Komm zu mir«, sagte er leise. »Erhebe dich und komm zu mir.«
Lámfhada regte sich und drehte sich auf die andere Seite. Ein schimmerndes Licht erglühte um ihn, und sein Geist erhob sich aus seinem Körper. Er blinzelte und erblickte Samildanach. Der Ritter bewegte sich ins Mondlicht zurück, Lámfhada folgte ihm, und sie schwebten gemeinsam hoch über die Bäume.
»Wie bist du hergekommen?« fragte der Junge.
»Hast du etwa geglaubt, mich aufhalten zu können?« erwiderte Samildanach. »Dummes Kind. Es ist Zeit zu sterben.«
Plötzlich schwoll Samildanachs Gestalt an, so dass der entsetzte Lámfhada sich wie ein Zwerg fühlte. Krallen wuchsen aus den Fingern des Ritters und schlugen nach dem Jungen. Er warf sich zurück und versuchte voller Panik, das Gold zu erreichen, aber sein Geist war zu sehr von Angst und Schrecken erfüllt, so dass es ihm entglitt. Er versuchte zu fliehen, doch Samildanachs Riesenhand ergriff ihn und hob ihn näher an das ungeheure Gesicht.
»Ich hatte zumindest einen Kampf erwartet, Kind«, sagte der Ritter.
»Und den sollst du auch haben«, sagte eine Stimme hinter ihm. Samildanach fuhr herum und sah eine vertraute Gestalt neben sich schweben.
»Ollathair! Welch angenehme Überraschung.«
»Nicht für mich. Lass den Jungen los.«
»Warum sollte ich? Ein Toter kann mir nichts anhaben.«
»Da hast du allerdings recht. Aber neben deinem Körper steht ein sehr lebendiger Mann und hält dir ein Messer an die Kehle. «
Die Gestalt verschwand, und Samildanach lächelte. »Nun, Junge, es scheint, dass du am Leben bleiben sollst – vorläufig.« Er ließ Lámfhada los und eilte davon.
Samildanach öffnete die Augen und drehte sich auf die rechte Seite, sein Dolch zuckte aus der Scheide. In seiner Nähe war niemand, aber neben sich fand er frische Fußspuren.
»Du hättest mich töten sollen, Ollathair – so wie ich dich getötet habe.« Er öffnete den Vorhang der Nacht und trat wieder in den Oberen Raum.
Sobald er am Tisch saß, weckte er die Ritter.
Rasch berichtete er alles, was er gesehen hatte, dann wandte er sich an Edrin und Bersis. »Ich sehe keine wirkliche Gefahr für die Armee des Königs«, erklärte er, »aber es gibt zwei Männer, mit denen wir uns unverzüglich befassen sollten. Edrin, du und Bersis, ihr geht nach Pertia. Dort zeigt ihr dem Befehlshaber das Siegel des Königs. Bersis wird das Kommando über fünfhundert Mann übernehmen und einen Angriff auf diese Festung hinter der Kettenbrücke führen. Morrigan wird dort sein, ich will nicht, dass ihr ein Leid geschieht. Aber bei ihr ist ein Kerl, der mich anwidert. Tötet ihn. Du, Edrin, nimmst fünfzig Mann und gehst in den Westen des Waldes. Such ein Dorf, das sich unter die zwei höchsten Gipfel schmiegt. Dort wirst du von einem dieser neuen Ritter hören. Er ist ein Geschichtenerzähler von großer Macht, und wenn ihm genügend Zeit bleibt, könnte er eine starke Truppe gegen uns aufbringen. Vernichte ihn. Mit allen Mitteln. Hast du verstanden?«
»Ich werde dich nicht enttäuschen, Samildanach. Sei versichert, er wird sterben.«
Lámfhada beobachtete, wie der Rote Ritter in der Ferne verschwand. »Ruad«, flüsterte der Junge. »Bist du noch da?«
»Er war niemals hier«, sagte eine Stimme in seinem Geist. »Kehre jetzt in deinen Körper zurück. Ich werde bald zu dir kommen.«
Lámfhada tat wie ihm geheißen, dann stand er auf, wickelte eine Decke um sich und ging lautlos an den schlafenden Rittern vorbei. Vor der Höhle setzte er sich auf einen Felsen und suchte mit den Augen das Gelände ab. Nach wenigen Minuten sah er eine hochgewachsene Gestalt, die den steinigen Pfad emporstieg. Sie war in lange Gewänder aus ausgebleichtem blauen Stoff gehüllt und trug alte Ledersandalen. Der Mann war alt und völlig kahl. Ein gegabelter weißer Bart floss über seine Brust, und er stützte sich beim Gehen auf einen schweren Stab. Der
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