Ritter des dunklen Rufes
wünschte, du wärst tot. Aber das wünsche ich nicht – allerdings auch nicht deine Gesellschaft.«
»Da hast du keine Wahl, Sheera. Ich bin hier, um dich nach Pertia und anschließend nach Cithaeron zu begleiten. Wenn du erst einmal dort bist, kannst du tun und lassen, was dir beliebt.«
»Ich gehe nicht nach Cithaeron. Ich werde Okessa finden und ihn töten. Und falls du irgendeinen Sinn für Ehre im Leib hättest, würdest du dasselbe tun. Du sagst, du hast Dianu geliebt? Was für eine Art, das zu beweisen – nach Cithaeron zu fliehen.«
Errin holte tief Luft, um seinen Ärger zu bezwingen. »In Cithaeron können wir eine Armee aufbauen. Hier können wir wenig mehr tun als durch einen winterlichen Wald zu laufen und zu hoffen, dass wir uns nicht verirren, was für verwöhnte kleine Mädchen vielleicht in Ordnung ist, aber nicht für mich. Jetzt hol deine Sachen.« Als er sich umdrehte, packte sie seinen Arm, um ihn zurückzuhalten und hieb ihm ihre Faust ans Kinn. Ubadai stöhnte, als er den Schlag sah. Die meisten Frauen hatten keine Ahnung, wie man boxt, aber er musste das geschmeidige Ausholen und den explosiven Aufprall bewundern. Errin war bewusstlos, ehe er in den Schnee sank.
Ubadai kam herüber und kniete neben dem bewusstlosen Adligen nieder, dann blickte er zu der erstaunten Sheera auf.
»Ich mag dich, Mädchen«, sagte Ubadai. »Du bist schön dumm.«
11
Nuada war wütend, als Grunzer ihm rundheraus erklärte, dass er die Rettungsmannschaft nicht begleiten dürfte. Der Führer der Geächteten hatte dreißig Männer zusammengerufen, von denen jeder Lebensmittel trug – Brot, getrocknetes Fleisch und Früchte.
»Du brauchst mich, damit ich euch den Weg zeigen kann«, protestierte Nuada. »Du brauchst mich!«
»Ich kann die Königsstraße schon allein finden, Nuada, ohne jede Hilfe. Aber schau dich an – du stehst kurz vor einem Zusammenbruch. Du würdest den Marsch nicht überstehen.«
»Ich bringe ihn hin – und auch wieder zurück«, sagte Llaw Gyffes. Es schneite wieder heftig, und Llaw war wie die anderen in geölte Schafsfelle und hohe, wollgefütterte Wanderstiefel gekleidet. Eine Kapuze bedeckte sein blondes Haar, um seinen Hals hatte er einen langen Schal geschlungen.
Grunzer ging zu Nuada und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Jeder Schritt, um den du unseren Marsch verlangsamst, könnte einen weiteren Toten auf der Königsstraße bedeuten. Verstehst du das?«
»Ich werde euch nicht aufhalten, das verspreche ich.«
Llaw zog Nuada beiseite und bot ihm einen Schluck aus seiner Feldflasche an. Nuada nahm an – und hustete.
»Götter des Chaos!« spuckte er. »Was ist das?«
»Ein Branntwein aus Getreide – wenig bewirkt viel. Ist dir jetzt wärmer?«
»Ich habe das Gefühl, als hätte jemand ein Feuer in meinem Bauch angezündet.«
»Gut. Dann lass uns gehen.«
Grunzer legte ein gutes Marschtempo vor. Seinen Weg durch den Schnee ertastete er sich mit einem Stab, den er tief in den Boden stieß, um trügerische Stellen aufzuspüren. Die Männer hinter ihm bewegten sich lautlos. Niemand sprach, und Nuada wusste, dass die meisten von ihnen den Sinn ihres Unternehmens nicht begriffen.
»Warum wolltest du mitkommen?« fragte Llaw, während sie mit etwas Abstand hinter den anderen hermarschierten.
»Ich habe es ihnen versprochen – und außerdem haben sie Angst vor Grunzer.«
»Zu Recht. Du führst den Wolf in den Schafpferch, sei also nicht überrascht, wenn er sich wie ein Wolf benimmt.«
»Ich werde nicht überrascht sein, Llaw. Aber jetzt sag mir, warum du mitgekommen bist.«
Llaw grinste und half Nuada über eine hohe Schneewehe. Der Wind frischte auf und trieb ihnen Eis und Schnee ins Gesicht, so dass eine weitere Unterhaltung unmöglich wurde. Die Reise, für die Nuada anderthalb Tage gebraucht hatte, schaffte die Rettungsmannschaft in knapp vier Stunden.
Um ein erloschenes Feuer fanden sie die ersten zusammengekauerten Toten. Es waren zwei Frauen, ein alter Mann und ein Kind. Alle waren steifgefroren.
Grunzer räusperte sich und spuckte aus. In seinen dunklen Brauen und dem kurzen Bart hatte sich Eis gebildet. »Dumm!« sagte er. »Hätten sie das Feuer zwanzig Schritt weiter dort drüben gemacht, an dem Felsen da, wären sie noch am Leben. Wie konnten sie nur annehmen, dass ein Feuer in offenem Gelände sie wärmen würde?«
Sie ließen die Toten, wo sie waren, und eilten weiter. Am Nachmittag erreichten sie die Höhle. Etwa vierzig Menschen hatten sich
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