Ritter-Geist
die Szene vielleicht doch überspringen… nein? Hm, nun, sie hat mir jede n falls gezeigt, wie man dem Klapperstorch eine Botschaft übe r bringt, und ich stimmte ihr darin zu, daß dies schon Abenteuer genug war und daß ich niemals mehr brauchen würde, und schließlich sind wir eingeschlafen.
Doch am nächsten Morgen kam mir wieder die andere Art von Abenteuer in den Sinn, das Erforschen fremder Gegenden und das Kämpfen gegen fremdartige Wesen, und da wußte ich, daß ich es zunächst einmal damit versuchen mußte. Elsie schlief noch, sie lächelte beinahe, und ich fühlte mich wirklich scheußlich, als ich mich anzog und mein Schwert anlegte. Doch ich gab ihr nicht einmal einen Kuß. Ich schlich mich einfach aus dem Haus wie ein Kind unter Hausarrest und machte mich auf den Weg nach Süden, ins Zentrum von Xanth, wo wirklich etwas los sein sollte.
Wie eine düstere Wolke verfolgten mich die Schuldgefühle, weil mein Versprechen vom Vorabend sich als bloße grausame Lüge herausgestellt hatte, und beinahe wäre ich wieder umgekehrt. Doch der Ruf der Abenteuer in der Wildnis lockte mich weiter, und der war stärker als alle Schuldgefühle.
Irgendwie fühlte ich mich damals gar nicht besonders tapfer oder heldenmütig. Ich fühlte mich viel eher wie ein Feigling, denn ich hatte nicht den Mut besessen, Elsie aufzuwecken und ihr ganz ehrlich zu sagen: »Mädchen, ich gehe jetzt, tut mir schrecklich leid.« Sie hätte… na ja, in solchen Dingen können Frauen wirklich ziemlich schwierig sein. Und als ich erst einmal richtig auf dem Weg war, da fehlte mir der Mut, zurückzukehren und mich zu en t schuldigen. Manche Helden sind in ihrem Inneren gar nicht b e sonders tapfer oder heroisch.
Doch nun hatte ich mich festgelegt und mußte eben nach vorne schauen anstatt zurück. Schon hatte mir das Leben eine Lektion erteilt: daß nämlich das Süßeste und Traurigste stets das ist, was hätte sein können. Ich hegte den Verdacht, daß ich etwas sehr Schlimmes tat und einen grausigen Preis dafür würde zahlen mü s sen, dennoch machte ich damit weiter, denn ich schämte mich zuzugeben, daß dem so war.
Damals war die Wildnis Xanths ein wenig wilder als heutzutage, glaube ich, und es gab auch noch viele seltsame Wesen und Mag i en, die es heute nicht mehr gibt. Die Pflanzen hatten noch nicht gelernt, dem Menschen mit gebührendem Respekt zu begegnen, und die Drachen kamen sogar bis in unser Dorf Fen, um Leute aufzufressen. Deshalb hatten wir überhaupt auch eine Kriegertr a dition. Wir brauchten kühne junge Männer, um Ungeheuer auf Abwegen abzuwehren. Wir befanden uns an der Nordostgrenze Xanths, neben dem, was später unter der Bezeichnung Ogersumpf bekannt wurde, doch damals waren die Oger noch sehr weit weg und wanderten auf stümperhafte Weise gen Norden. Meine Stiefel sackten in den unendlichen Sümpfen immer wieder ein, und schon bald wurde mir klar, daß es bis zum Herzen Xanths, wo das sage n umwobene Schloß Roogna sich befinden sollte, noch ein äußerst weiter Weg war. Zu Fuß würde ich ganze Ewigkeiten brauchen, um dorthin zu gelangen, und ich mußte feststellen, daß mir das Gehen nicht besonders gut gefiel. Also brauchte ich eine Reitgel e genheit.
Das war ein Problem. In unserer abgelegenen Gegend Xanths gab es keine Zentauren, und Drachen gaben auch keine guten Reittiere ab – sie neigten dazu, heimtückische Pläne zu schmieden, um ihre Passagiere lieber in ihrem Körperinneren weiterzubefö r dern anstatt oben auf dem Rücken! Ich hatte auch Angst, irgendein fliegendes Wesen als Reittier zu benutzen, denn man konnte ja nie wissen, wann es einen einfach abwerfen würde. Ich wußte zwar, daß es im Meer Seepferde gab, aber ich wollte ja ins Landesinnere. Im Dorf gab es einen Mann, der Steckenpferde herstellte, doch ich hatte es versäumt, vor meinem Aufbruch mit ihm zu sprechen. Aber seine Pferde beförderten in Wirklichkeit ohnehin keine Me n schen, sie taten immer nur so, als ob. Was sollte ich also tun?
Ich wußte es: Ich mußte meine Beine soweit stählen, daß ich den ganzen Tag marschieren konnte, ohne so sehr zu ermüden, daß mir der Spaß am Abenteuer verging. Bisher machte das Abenteuer mir wirklich nicht sonderlich viel Vergnügen. Es sprach einiges dafür, zu Hause zu bleiben und eine Familie aufzuziehen. Fast wollte ich schon wieder umkehren, doch einmal mehr mußte ich feststellen, daß ich das nicht konnte. Umzukehren hätte bedeutet, daß ich meinen Fehler eingestanden hätte –
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