Ritter-Geist
fortsetzen würde, und so blieb er gelegentlich st e hen, um zu grasen. Das bestätigte mich in meiner Vermutung, daß er feststofflicher Natur sein mußte, denn wirkliche Gespenster brauchten nicht zu fressen. Es war auch an diesem Punkt, daß der Pooka sich für mich von einem »Es« zu einem »Er« verwandelte. Es ist ein Gespenst, Er ist ein Lebewesen. Ich will auch gar nicht behaupten, daß das besonders tiefgründig von mir gedacht war; es war einfach nur die Art, wie ich die Dinge sah.
Mir wurde auch klar, daß der Pooka mich nur geneckt hatte, weil ich eben dagewesen war; es hatte sich um eine zufällige Begegnung gehandelt. Nun reagierte ich aber auf ungewohnt heftige Weise darauf, was das Gespensterpferd verunsicherte. Der Pooka wußte nicht, daß ich beabsichtigte, ihn einzufangen. Manchmal blieb er eine Weile schweigend stehen, weil er wohl dachte, daß ich ihn ohne das Kettenrasseln verlieren würde; doch stets schritt ich in die Richtung des letzten Geräusches weiter und benutzte meinen nie versagenden primitiven Orientierungssinn. Immer wieder setzte er sich daraufhin in Bewegung. Er konnte keinen Schritt tun oder davonrennen, ohne daß die Ketten ihn verraten hätten. Das war sein Fluch. Wäre dem nicht so gewesen, ich hätte ihn niemals aufstöbern können, weder bei Tag noch bei Nacht. Auf jeden Fall nicht so leicht.
Der Morgen graute, und der Pooka hatte mich ungefähr in sü d westliche Richtung geführt. Da, als die Sonne sich gerade darauf vorbereitete, sich in den Himmel emporzustemmen, fand der Po o ka ein verborgenes Dickicht und erstarrte. Ich konnte ihn weder hören noch sehen, und das Gebüsch war so dicht, daß ich wußte, daß ich mich durch jede Bewegung verraten würde, so daß der Pooka entkommen konnte, während das Geräusch seiner klirre n den Ketten von dem Buschwerk verschluckt wurde. Also wartete ich, und auf diese Weise wurde daraus eine Belagerung. Ich wußte, daß er in der Nähe war, aber ich mußte ihn dazu bringen, sich zu bewegen. Und er war seinerseits natürlich dazu entschlossen, sich nicht zu bewegen, nachdem ihm dieses Spiel keinen Spaß mehr machte.
Ich nutzte die Wartezeit sehr gut: Ich schlummerte. Diesen Schlaf konnte ich wirklich gebrauchen!
Doch sobald die Ketten rasselten, wachte ich abrupt wieder auf. Der Pooka versuchte, sich davonzuschleichen! Er glaubte, daß ich einer jener zivilisierten Schläfer wäre, die sich so tief in ihre Trä u me herabsinken lassen, daß sie sich mindestens sechs Stunden lang nicht mehr daraus befreien können. Doch nicht mit mir! Da ich bei meinen Planungen für mein Abenteuer genau gewußt hatte, daß ich die Wildnis niemals ausschalten könnte, hatte ich auch immer wieder trainiert, in eben jenem Augenblick aufzuwachen, da eine Gefahr drohte, und sofort wieder einzuschlafen, sobald die Gefahr wieder verschwunden war. Wilde Lebewesen schlafen so, und ich war auch ziemlich wild. Deshalb weckte mich auch dieses leise Klirren sofort auf, ich entwirrte meine Beine und machte mich wieder an die Verfolgung.
Nun begann der Pooka, Haken zu schlagen. Ich folgte ihm und fühlte mich dabei besser, auch wenn ich wirklich nicht genug g e schlafen hatte. Die ganze Nacht war ich der Spur gefolgt und hatte kaum mehr geruht als der Pooka auch. Im Gehen riß ich einige eßbare Beeren von den Büschen, an denen ich vorbeikam, und ernährte mich auf diese Weise; das wiederum war mein Vorteil, denn der Pooka mußte zum Grasen stets stehenbleiben und konnte es nicht im Laufen erledigen. Wahrscheinlich wurde er langsam ordentlich hungrig. Nun, da ich darüber nachdachte, wu r de mich auch klar, daß alles, was feststofflich genug ist, um schw e re Ketten mit sich herumschleppen zu können, auch Kraftfutter zu sich nehmen mußte.
Ich kam durch ein Gebiet, wo die Sträucher doppelt so viele Beeren hatten, weil alle doppelwüchsig waren. Gerade wollte ich mir die ersten Zwillingsbeeren in den Mund schieben, als ich z ö gerte. Natürlich hatte ich mich mit vielen Dingen in der Natur vertraut gemacht, so daß ich mich in der Wildnis ohne Gefahr ernähren konnte, doch diese Beeren hier waren sehr seltsam. Ich überlegte, und plötzlich fiel es mir wieder ein: Zwillingsbeeren! Die waren giftig und bewirkten Schwäche, Lähmung und Siechtum. Doch waren die Wirkungen derart langsam, daß man sehr, sehr viele von ihnen essen konnte, bevor man ihnen richtig zum Opfer fiel – und dann würde es zu spät sein. Natürlich konnte mich mein magisches Talent
Weitere Kostenlose Bücher