Ritter-Geist
als läge dort ein Mensch, der etwas unruhig geworden war, weil ihn ein Kettenrasseln störte. Dann schlich ich mich leise davon – in solchen Dingen war ich ziemlich gut, und schlug einen weiten Bogen um das Kettenrasseln.
Und tatsächlich gelang es mir, es an der Nase herumzuführen. In derlei Dingen sind Barbaren äußerst schlau. Ich sah zu, wie es sich meinem Lager näherte und sich darüber wunderte, daß ich nicht länger in Panik geriet. Spukgestalten mögen es nicht, wenn man sie ignoriert! Es kam über eine Felskante, und ich erblickte es, wie es sich vor dem Mondlicht abzeichnete – und es war eine Nachtmä h re. Nein, keine Mähre, wie ich einen Augenblick später erkannte, und zwar aus mehreren Gründen nicht. Mähren pflegten Schlafe n de nicht mit fernen Geräuschen zu necken; sie kamen immer d i rekt heran, um ihre Alpträume abzuliefern, dann gingen sie zum nächsten Kunden. Sie hatten gar keine Zeit, um derlei Späße zu inszenieren, weil es immer sehr viele Träume abzuliefern galt, und davon abgesehen schlief ich ja auch nicht. Außerdem war das gar keine Mähre, sondern ein Fohlen, vielleicht auch ein Hengst. Ein zottiges, wildes Ding, das mit Ketten behängt war. Auf diese Weise konnte es auch rasseln. In Wirklichkeit war es ein Pooka – ein Gespensterpferd.
Ein Pferd. Sofort begann mein Barbarenhirn zu arbeiten. Dieses Pferd konnte ich gebrauchen! Doch wie sollte ich es einfangen? Ich war mir sicher, daß es wenigstens halbwegs feststofflich sein mußte, denn seine Ketten rasselten heftig, was wiederum ein Hi n weis darauf war, daß sie feststofflich genug dafür waren, folglich mußte der Pooka ebenso feststofflich sein, um sie tragen zu kö n nen. Aber er konnte mich mühelos abhängen – und das war auch einer der Gründe, weshalb ich ihn haben wollte. Nicht nur daß das Reisen zu Pferd leichter wäre, es würde auch schneller gehen, und ich wäre außerdem in der Lage, mehr Gepäck mitzunehmen. A b gesehen davon reizte mich die Herausforderung; so weit ich wu ß te, hatte noch niemals jemand einen Pooka eingefangen. Dies war also genau die Sorte Abenteuer, nach der ich suchte. Wenn ich mir nur das Staunen der Leute vorstellte, wenn ich auf einem Gespe n sterpferd im Dorf Fen einritt!
Doch inzwischen war ich sehr müde geworden; im Gegensatz zu den sorgsam gepflegten Mythen werden Barbaren gelegentlich tatsächlich auch mal müde. Es wäre besser, sich eine Nacht lang auszuruhen und die Verfolgung am Morgen wieder aufzunehmen. Andererseits wäre das Wesen bis dahin vielleicht schon weit weg, deshalb wagte ich es nicht, zu warten.
Ich seufzte. Es mußte also jetzt sein. Zum Glück war ich ein r o buster junger Mann, so daß meine Müdigkeit zwar lästig, aber nicht lähmend war. Also bereitete ich mich auf die Verfolgung vor.
Zunächst einmal hackte ich mit Hilfe meines Schwerts einige üppige lange Schlingpflanzen ab, die mir als Fangseil dienen sol l ten, da ich dieses Wesen ja einfangen und nicht töten wollte; das machte die Sache auch schon sehr viel schwerer. Zwar war ich mir nicht sicher, ob es überhaupt möglich wäre, ein Gespensterpferd zu töten, dennoch wollte ich das Risiko nicht eingehen. Natürlich hatte ich während meiner Vorbereitung auf das Heldentum sehr viel mit Seilen geübt und war ganz gut darin; das ist eine der Grundfertigkeiten der Unzivilisierten. Dann machte ich mich auf den Weg.
Natürlich merkte der Pooka fast sofort, daß ich ihn verfolgte; in derlei Dingen sind Gespensterpferde äußerst wachsam. Mit einem mächtigen Kettenrasseln schoß er davon. Zwar erreichte ich nicht sein Tempo, konnte aber seine Hufabdrücke im Mondlicht erke n nen, und das ständige Klimpern der Ketten in der Ferne ermö g lichte es mir, ihn vom Geräusch her zu verfolgen.
So stapfte ich voran und machte nie viel Federlesens mit allem, was mir in den Weg geriet. Ich mag es nicht, bei Nacht zu reisen, denn die einzigen Gefahren, die noch schlimmer sind als die der Wildnis bei Tag, sind jene der Wildnis bei Nacht. Vielleicht haben die Grauen der Nacht aber auch erkannt, daß ich müde und rei z bar war und daß es sich nicht ausgezahlt hätte, sich mit mir anz u legen, denn ich wurde nicht angegriffen. Vielleicht hatte ich aber auch nur Glück. Manche Narren haben geradezu phänomenales Glück, und das brauchen sie natürlich auch.
Also blieb ich gerade noch in Hörweite der klirrenden Ketten, denn der Pooka hatte nicht damit gerechnet, daß ich die Verfo l gung ernsthaft
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