Ritter-Geist
unfruchtbar und interessierte sich auch sonst nicht besonders für Störche.«
»Von Störchen verstehe ich etwas«, murmelte ich.
»Dann wißt Ihr ja auch, daß sie sich die Paare, an die sie liefern, nicht selbst aussuchen. Sie müssen vielmehr darauf warten, daß die Paare sie rufen. Sie führen lediglich jene Lieferaufträge aus, die richtig eingegangen sind. Das ist eine Eigenart ihres Wesens.«
»Ja. Und sie liefern auch immer nur an die Frau, egal wie hart der Mann für das Baby auch arbeiten mag. Ich finde das nicht beso n ders fair.«
Sie lachte. »Viele Dinge im Leben und in der Magie sind nicht besonders fair, Barbar! Jedenfalls mußte der König, wenn er schon ein Baby haben wollte, sich mit einer anderen Frau als der Königin arrangieren. Ich glaube, daß er sich gerade mit diesem Gedanken trug, als die finstere Dämonin ihn aufsuchte. Vielleicht hatte er auch noch andere Dinge im Sinn – Männer können ziemlich obe r flächlich sein, wenn es um so etwas geht –, aber ich muß einfach glauben können, daß er mich auch wirklich haben wollte.«
»Natürlich wollte er das!« rief ich. »Und jetzt will er, daß Ihr nach Hause zurückkehrt. Das muß auch der Grund dafür sein, weshalb er damit einverstanden war, daß…«
»Und ich glaube auch nicht, daß er um das Wesen meiner Mutter wirklich wußte. Wißt Ihr, Dämonen können nämlich jede beliebige Gestalt annehmen. Also verwandelte sie sich in die schönste Frau, die man sich nur vorstellen konnte, eine wahre Mitternacht aus Haar und Auge, vollkommen in jeder Hinsicht…«
»Ihr schmeichelt ihr«, wandte ich ein.
»Seid still, Unwissender!« konterte sie heftig. »Meine Mutter war eine schreckliche Kreatur! Sie besaß absolut kein Gewissen. D ä monen sind seelenlos, sie kennen keine menschlichen Werte, nur menschliche Leidenschaften. Sie wollte den Menschen lediglich Leiden zufügen, und sie wußte, daß dies auf wirkungsvollste Weise dadurch geschehen konnte, daß sie den König selbst kompromi t tierte. Also nahm sie eine bezaubernde Gestalt an und suchte ihn mit einer Geschichte auf, wie man sie angeblich aus ihrem fernen Dorf herausgestoßen hätte und wie sie nun Hilfe und Schutz brauchte, und als sie ihn dann allein vor sich hatte – ach, Ihr wißt ja überhaupt nicht, was Lüge ist, bis Ihr einmal einen Dämon am Werk gesehen habt. Sie… nun, sie brachte ihn dazu, ihr beim R u fen des Klapperstorchs behilflich zu sein, und als das erledigt war und der Storch den Auftrag angenommen hatte, lachte sie nur und verwandelte sich in das Abbild eines mundanischen Ungeheuers, um ihm sofort jede Illusion zu nehmen. Dann wurde sie zu einer Schwade Lachgas und verblaßte. Als der König entdeckte, daß er einer Dämonin beigewohnt hatte, war er außer sich vor Entsetzen, doch da war es bereits zu spät.«
»Armer König Gromden«, stimmte ich ihr zu.
»Als der Storch mich abgeliefert hatte, hatte sie noch mehr schreckliche Freude daran, indem sie mich nämlich bei hellichtem Tag zum König brachte, als der König und alle Schloßbewohner gerade zu Tisch saßen, mich vor ihm ablegte und sagte: ›Hier ist Euer Bastard, ehebrecherischer König! Wagt Ihr es, es zu leu g nen?‹ Und der König, der, so viele Schwächen er auch sonst haben mochte, immerhin ehrlich war und blieb, leugnete es nicht, vie l leicht auch deshalb, weil er wußte, daß es mir wirklich schlimm ergehen würde, wenn er sich weigern würde, mich anzunehmen. Dann verschwand meine Dämonenmutter in einer Rauchwolke, und nur ihr grausames Lachen blieb zurück. Sie hatte den König getäuscht, seinen Ruf ruiniert und auf alle Zeiten jede anständige Beziehung zerschlagen, die er mit der Königin hätte haben kö n nen. Danach verließen die Schloßbewohner unter allerlei Vorwä n den nach und nach den Ort, und natürlich konnte der König es ihnen nicht mehr abschlagen. Er war durch die grausamste aller Täuschungen zur Machtlosigkeit verdammt worden. Als die Kön i gin mich schließlich verfluchte, lebte kein Dutzend Leute mehr dort.«
»Es sind auch jetzt nur noch sehr wenige«, sagte ich.
»Nur die allertreuesten«, erklärte sie mit traurigem Gesicht. »In mancherlei Hinsicht gleichen die Menschen durchaus den Däm o nen, nur daß sie etwas langsamer reagieren und für ihr schlimmes Tun Ausreden suchen, während die Dämonen schnell handeln und dafür keinerlei Entschuldigungen vorbringen. Ich wünschte, ich könnte jetzt bei meinem Vater sein und ihm die Stütze geben, die
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