Ritter-Geist
echter Neugier bewegt. Ich sorgte mich ein wenig um den Sohn, den der Klappe r storch Glockenblume bringen würde; ob der auch keine Seele h a ben würde?
»Töten Leute mit Seelen etwa vorbeiziehende Fremde?« wollte sie wissen.
Ich grübelte ein wenig, von dem Einwand verblüfft. »Ich bin ein Mensch«, sagte ich nach einer Weile. »Ich bin dazu bereit, Fremde zu töten, wenn sie mich angreifen. Ich bin ein Barbarenkrieger, ich lebe durch das Schwert. Es hängt von den jeweiligen Umständen ab. Im Krieg…«
»Das hier ist kein Krieg! Ihr seid als Verwundeter zu mir g e kommen, und ich habe Euch vergiftet und in die Spalte gestürzt.«
Da war etwas dran. »Aber Ihr habt auch gesagt, daß es Euch leid tut.«
»Toll! Es tut mir auch leid, daß Ihr zurückgekehrt und mich g e fangengenommen habt.«
»Aber Dämonen besitzen kein Gewissen«, wandte ich ein. »D e nen tut nie etwas leid.«
»Da irrt Ihr Euch aber, Ignoramus. Es kann ihnen sehr wohl leid tun – wenn ein Plan nämlich nicht funktioniert. Wie etwa mein Plan, Euch umzubringen.«
»Aber Ihr habt schon gesagt, daß es Euch leid tut, noch bevor Ihr wußtet, daß ich mich wieder erholen würde«, beharrte ich. »Ich kann mich noch daran erinnern, es war kurz bevor ich starb.«
»Ich sage viel, wenn der Tag lang ist«, meinte sie gereizt, de n noch wirkte sie ein wenig beschwichtigt. »Außerdem besitze ich die dämonische Gabe des Lügens, je grausamer, um so wirkung s voller. Ihr könnt es Euch nicht leisten, auch nur das kleinste bi ß chen von dem zu glauben, was ich Euch erzähle.«
»Vielleicht«, stimmte ich ihr zu. »Aber dennoch könntet Ihr eine Seele haben. Es gibt auch Menschen, die Lügner sind, der Magier Yang zum Beispiel, und Ihr seid viel menschlicher als ein Dämon.«
»Nein, bin ich nicht! Ich kann nicht lieben!«
»Also das ist ja nun wirklich eine Lüge! Was ist denn dann mit Eurem Vater, Ihr habt doch behauptet, daß Ihr ihn lieben wü r det?«
»Da hab ich gelogen!« rief sie ohne große Überzeugungskraft.
»Ich glaube Euch nicht. Ich glaube, daß Ihr jetzt lügt. Ihr liebt ihn nämlich doch. Folglich könnt Ihr also lieben, was wiederum b e deutet, daß Ihr doch eine…«
»Ihr seid ein Narr, mir zu glauben!«
»Warum kümmert Ihr Euch dann darum, was mit dem König oder Schloß Roogna passieren könnte? Warum kommt Ihr dann nicht einfach ohne zu protestieren mit und seht zu, wie das Schloß zerbröckelt, während Ihr lachend danebensteht? Was schert sich denn ein seelenloses Wesen um das Wohlergehen Xanths?«
Sie blickte mich mit einer seltsamen Mischung aus Erleichterung und Frustration an, beantwortete meine Fragen aber nicht. Ich war zufrieden; sie mochte vielleicht eine Lügnerin sein, doch immerhin war sie mehr Mensch als Dämon.
Es dämmerte bald. Unter einem üppigen Nußbaum blieben wir stehen. Ich band Threnodias Füße frei, damit sie absitzen konnte. Doch sie reagierte ohne jede Dankbarkeit. »Wie soll ich denn mit gefesselten Händen essen oder sonst irgend etwas tun können?«
»Sonst irgend etwas?« fragte ich.
»Ich werde es hinter dem Baum tun.«
»Oh.« Verlegen band ich sie frei. »Aber Ihr müßt mir Euer Wort geben, daß Ihr nicht versuchen werdet, zu fliehen.«
»Na klar doch«, sagte sie bissig und rieb sich die schmerzenden Handgelenke. Dann begab sie sich hinter den Baum, während ich nach oben griff, um Nüsse zu sammeln.
Nach einer Weile merkte ich, daß Threnodia noch nicht hinter dem Baum wieder hervorgekommen war. Ich zögerte, einfach nachzusehen, da ich nie richtig verstanden hatte, wie Frauen diese Dinge erledigten, und es vorzog, nicht nachzufragen. Also rief ich ihr in diskreter Formulierung zu: »He – alles gut rausgekommen?«
Ich erhielt keine Antwort. Plötzlich nervös geworden, ging ich doch nachsehen. Tatsächlich – Threnodia war fort.
Ich hatte mich wieder als Narr aufgeführt. Na ja, würde ich halt ihrer Fährte folgen müssen. Doch ich fand keine. Verdutzt hielt ich inne. War sie etwa derart geübt im Fortschleichen und Ve r stecken, daß sie keine Spuren hinterließ? Dann bescherte mir me i ne nachhängende Intelligenz eine Idee; ich brauchte doch nur meinen nachhängenden Kompaßsinn zu benutzen. Also konze n trierte ich mich darauf, und der Pfeil zeigte prompt nach oben ins Laubdach.
Ich lächelte. Das war ein netter Plan – sich verstecken, und dann, wenn ich mich an die fruchtlose Verfolgungsjagd machte, hina b steigen und in aller Seelenruhe
Weitere Kostenlose Bücher