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Ritter und Raufbolde

Ritter und Raufbolde

Titel: Ritter und Raufbolde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauss
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Belagerung
    Auch die Spannweite der bei Belagerungen eingesetzten Waffen und Gewaltmittel war enorm. Der technische Entwicklungsstand einer Gesellschaft ist womöglich immer in den Bereichen |62| am weitesten fortgeschritten, die dem Krieg dienen. Davon zeugen im Mittelalter die Entwicklungen in der Waffenproduktion und -technik etwa bei Belagerungen. Mineure suchten die Mauern der belagerten Stadt zu untergraben und zum Einsturz zu bringen, indem sie die Stützbalken in den Tunneln in Brand steckten; die Belagerten setzten sich mitunter durch Gegentunnel zur Wehr. Es kamen auch Geschütze unterschiedlicher Technik zum Einsatz. Torsionsgeschütze beschleunigten die Geschosse durch gedrehte Seile, Gegengewichtsgeschütze nutzten die Schwerkraft, und ab dem 14. Jahrhundert wurde in Kanonen Schwarzpulver gezündet.
    Die Blide – eine Hebelwurfmaschine
    Vor der Einführung von Kanonen bedienten sich mittelalterliche Kämpfer verschiedener Wurfgeschütze, um Burgen und Städte unter Beschuss zu nehmen. Die schwere Waffe (Waffen, die von mehr als einer Person bedient werden) des Mittelalters mit dem höchsten Vernichtungspotenzial war die Blide (auch Tribok). Diese Hebelwurfmaschine schleuderte ihre Geschosse in einer gekrümmten Bahn auf das Ziel, indem ein auf einer Holzkonstruktion beweglich angebrachter Balken an einem Ende ruckartig nach unten gezogen wurde; dadurch bewegte sich das andere Ende nach oben und beschleunigte so das Projektil. Bis ins 13. Jahrhundert wurden sogenannte Ziehkraftbliden von der Bedienungsmannschaft manuell beschleunigt; gegen Ende des 13. Jahrhundert machten sich dann Gegengewichtsbliden mithilfe eines Gewichtes die Schwerkraft zunutze. Dadurch wurde der Wurfarm schneller und gleichmäßiger beschleunigt, was die Reichweite erhöhte. Großdimensionierte Bliden konnten Geschosse von mehr als einer Tonne circa 100 Meter weit schleudern.
    Die Wirksamkeit mittelalterlicher Wurfgeschütze ist schwer einzuschätzen. In einigen Quellenberichten wird der Beschuss auf die Mauern der Feinde als wenig wirkungsvoll beschrieben. Mitunter konnte es aber auch zu regelrechten Ferngefechten kommen, beispielsweise wenn beide Seiten über Steinschleudern verfügten:
    |64| Einige Tage später stellten die Unsrigen in der Vorburg, die niedergebrannt war, Steinschleudern auf, um die Burg zu beschießen. Als diejenigen in der Burg das sahen, richteten sie ebenfalls Steinschleudern auf, um die Unseren zu stören und zu behindern. Sie warfen große Steine in sehr dichter Folge und bedrängten die Unsrigen nicht wenig. Danach stellten die Unsrigen mehrere Steinschleudern auf. Doch obwohl unsere Kriegsmaschinen ununterbrochen schossen und die Häuser, die in der Burg waren, zertrümmerten, vermochten sie doch die Mauern der Burg wenig oder gar nicht zu erschüttern. 12
    Das ist die Beschreibung der Belagerung von Penne im Rahmen des sogenannten Kreuzzugs gegen die Katharer in Südfrankreich im Jahr 1212. Aus dem gleichen Belagerungsbericht wird auch deutlich, was man tun musste, wenn die Wurfgeschütze nicht die erhoffte Wirkung erzielten: Man musste größere bauen:
    Als unser Graf [Simon von Montfort] sah, dass unsere Kriegsmaschinen die Mauer des befestigten Ortes nicht zu zerstören vermochten, ließ er eine andere Kriegsmaschine herstellen, die sehr viel größer als die übrigen war. 13
    In der Wahl der verwendeten Munition konnten mittelalterliche Krieger erstaunlich ,modern‘ sein und zeigten sich als Meister sowohl der biologischen als auch der psychologischen Kriegführung. Bei der Belagerung von Nikaia 1097 sollen die Kreuzfahrer (1. Kreuzzug von 1095–1099) Köpfe von gefallenen Türken in die Stadt geschossen haben.
    Andere Geschosse dienten dazu, Krankheiten und Seuchen in die belagerte Stadt zu bringen: tote Pferde, Leichen oder Leichenteile. Im Jahr 1346 belagerten Tartaren die genuesische Stadt Caffa auf der Krim. Unter den Tartaren brach die Pest aus, die bald als der ,Schwarze Tod‘ große Teile Europas heimsuchen sollte. Die Seuche dezimierte die Belagerer, die daraufhin zu einem letzten Mittel griffen:
    [Sie] banden die Leichen auf Wurfmaschinen und ließen sie [ in die Stadt Caffa hineinkatapultieren, damit dort alle an dem unerträglichen Gestank zugrunde gehen sollten. Man sah, wie sich die Leichen, die sie so hineingeworfen hatten, zu Bergen türmten. 14
    |66| Feuerwaffen – ein Novum
    Geschosse, bei denen Schießpulver als Treibmittel diente, stellen eine gleichsam revolutionäre

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