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Ritter und Raufbolde

Ritter und Raufbolde

Titel: Ritter und Raufbolde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauss
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Kämpfer werden konnte, lässt sich der Ausbildungsgang einfach zusammenfassen: Versuch macht klug – oder moderner training on the job. Geoffrey de Charny war einer der renommiertesten Ritter im Frankreich des 14. Jahrhunderts. Er starb mit der Oriflamme – dem Banner der Könige Frankreichs – in der Hand an der Seite seines Königs Johannes II. von Frankreich in der Schlacht von Poitiers 1356. Vorher hatte er ein Buch über das Rittertum – oder besser: das Rittersein – geschrieben:
Le Livre de Chevalerie
. Dieses Buch gewährt uns detaillierte Einblicke in die Welt des spätmittelalterlichen Rittertums und Krieges. Zur Frage, wie man Kenntnis in der Kriegskunst – konkret geht es um Belagerungen – erwerben kann, heißt es hier:
    |72| Sie [diejenigen, die gute Ritter/Kämpfer werden wollen] wollen immer noch mehr lernen, weil sie andere davon reden hören, wie man eine mauerbewehrte Stadt oder Burg belagert. Dann bemühen sie sich darum, zu solchen Plätzen zu kommen, wo solche Belagerungen im Gange sind. [...] Sie sind glücklich, wenn Gott ihnen das Glück gewährt hat, dass sie dabei sein können, beobachten und sich selber gut geschlagen haben in diesen kriegerischen Aktionen. 18
    Pfeil und Bogen
    Der Bogen gehört als Waffe so selbstverständlich zum Mittelalter wie zu seinem wohl prominentesten Schützen: Robin Hood. In der Person des wohltätigen Rächers sind die Elemente vereint, die Pfeil und Bogen aus militärhistorischer Sicht interessant machen: Ein Bogen war relativ billig in der Herstellung, und kostspielige Waffenschmiedekunst war hier nicht vonnöten. Der Schaft bestand in Europa meist aus Holz (Esche, Ulme, Eiche, Eibe), im ungespannten Zustand war der Bogen oft völlig gerade; die Bogensehnen wurden aus Hanf- und Flachsfäden gemacht. Experimentalarchäologische Versuche haben ergeben, dass ein geübter Bogenschütze bis zu 12 Pfeile pro Minute abschießen kann. Diese Schussfrequenz führt aber schnell an die Belastungsgrenzen der mittelalterlichen Logistik. Jeder Bogenschütze führte einen Köcher mit 24 Pfeilen mit sich, was also Munition für zwei Minuten Kampfeinsatz bedeutet hätte. Die tatsächlichen Schussfolgen dürften also deutlich hinter dem theoretisch Machbaren zurückgeblieben sein.
    |73| Man lernte also Kriege zu führen, indem man Kriege führte. Wie auch immer der Drill einer mittelalterlichen Kampfeinheit ausgesehen haben mag, sicher ist, dass die Truppen nicht eigens zu diesem Zweck ausgehoben und versammelt wurden. Insofern ist das Training in der Gruppe immer Bestandteil des Feldzuges gewesen.
    Der Marsch
    Das erste Ziel eines jeden Kriegszuges bestand darin, die Kämpfer dorthin zu bringen, wo sie kämpfen sollten. In der Regel musste zwischen dem Sammelpunkt und dem Einsatzort eine gewisse Distanz zurückgelegt werden. Schiffstransporte stellten dabei eine besondere Herausforderung dar, waren teuer und zeitaufwendig, da man auf günstige Wetter- und Windbedingungen warten musste.
    Bei Märschen über Land scheint es gängige Praxis gewesen zu sein, dass gerade größere Truppenverbände in getrennten Kolonnen marschiert sind, zum Beispiel in einer Dreiteilung mit dem Hauptheer in der Mitte und zwei Abteilungen in einigem Abstand links und rechts. Dieses Vorgehen hatte den Vorteil, dass über eine breite Front und große Fläche Lebensmittel im Umland ,gesammelt‘ werden konnten. Darüber hinaus konnten sich die einzelnen Abteilungen gegenseitig zuhilfe kommen oder sich zu einem gemeinsamen Schlag vereinen. Wenn möglich versuchten mittelalterliche Heerführer sich aus dem Land zu ernähren. Wenn der Kriegszug auf die Eroberung des entsprechenden Landes abzielte, war dieses Vorgehen aber nicht immer unproblematisch. Das Gebiet und die Menschen, über die man die Herrschaft übernehmen wollte, sollten nach Möglichkeit nicht völlig ausgeplündert oder durch gewaltsame Übergriffe gegen die neuen Herren aufgebracht werden. Die Disziplinierung der Kämpfer entsprang in diesen Fällen also weniger einem allgemeinen Verständnis von der Schonungswürdigkeit der Zivilbevölkerung, sondern machtpolitischem Kalkül. In gleicher Weise war es natürlich auch ein Problem, wenn die Truppen im eigenen Land plünderten. In etlichen Fällen wird solch ein Vorgehen von den zeitgenössischen Chronisten scharf verurteilt und mit dem Hinweis gegeißelt, die |75| eigenen Leute benähmen sich ,wie der Feind‘ oder ,wie im Feindesland‘.
    Die Marschgeschwindigkeit und Tagesleistung

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