Ritter und Raufbolde
Bedeutung. Das Beispiel belegt insofern eindrucksvoll, was auf dem Spiel stehen konnte: König Ottakar fiel in dieser Schlacht, und seine Familie – die Premysliden – verlor |55| große Teile ihres Herrschaftsbereiches. Man konnte auf dem Schlachtfeld viel gewinnen, aber auch viel verlieren.
Bei allen Bemühungen um die Kenntlichmachung der Parteien brauchte man im Mittelalter eine gewisse Expertise, um Freund und Feind zu unterscheiden; dies illustriert die Schlachtbeschreibung |56| des Jan van Heelu zur Schlacht von Worringen (1288). Er schildert, wie die Bauern aus der Herrschaft des Grafen von Berg in die Schlacht eingreifen. Der Graf und die Bauern stehen auf der Seite des Herzogs von Brabant; auf der Gegenseite kämpfte unter anderem der Graf von Geldern:
Die Bauern, die dort im Kampf blieben, stellten sich an einen Graben und schlugen nieder Freund und Feind, ohne Schonung, denn wer zu den einen oder den anderen gehörte, davon hatten sie keine Kenntnis. Plötzlich begab es sich, wie Gott gab, dass Battele, ein Gefolgsmann und Knappe des Herzogs von Brabant, auf einer Mähre saß, die weder vorwärts noch rückwärts wollte: Auf ihn stürzten sich die von Geldern. Als er das Pferd nicht schneller sich bewegen fand, sprang er auf die Erde und erschlug es selbst mit dem Schwert und kam zu denen [den Bauern] von Berg gerannt, gerade als sie den Kampf begannen. Da wollten sie ihn niederschlagen, dass er nicht wieder aufstehen könnte, doch er rief: „Ihr tut Unrecht! Ich bin Gefolgsmann des Herzogs von Brabant, der es nicht verdient, hier von euch, dass Ihr seine Freunde und seine Mannen niederschlagt.“ Da riefen sie alle zurück: „Seid Ihr von Brabant, freimütig rufet: Ruhmreiches Berg! Und wir helfen Euch allen sofort. Geht voran und führet uns schnell dorthin, wo wir Feinde finden. Wir sollen wohl alsbald den Kampf beenden, wenn wir sie wohl herausfinden können.“ Der Gefolgsmann rief nach ihrer Rede: „Brabant! Ruhmreiches Berg! Folgt mir, wohin ich vorgehe. Ich werde Euch augenblicklich dorthin bringen, wo Ihr die Feinde finden könnt.“ So führte er sie dann von hinten an die Feinde heran.
Die Bauern, die keine Kriegs-Profis, sondern Gelegenheitskämpfer waren, erkannten nicht, wen sie vor sich hatten und |57| töteten daher Freund und Feind gleichermaßen. Durch den entsprechenden Schlachtruf – quasi die Parole – wurde dann ein kriegskompetenter Kampfgenosse identifiziert und zum Anführer erklärt. Erst jetzt konnte die Kampfkraft der Bauern effizient im Sinne ihres Kriegszieles eingesetzt werden.
Wie klang der Krieg?
In vielen mittelalterlichen und modernen Berichten tritt uns der Krieg zwar plastisch und auch grell vor Augen – er bleibt aber buchstäblich stumm. Dabei war eine Schlacht alles andere als leise, sondern von zahlreichen Geräuschen begleitet und produzierte viel Lärm. Da erklangen Fanfaren und Signale, um Kommandos zu kommunizieren und die Kämpfer anzufeuern. Männer schrien Befehle und vor Schmerz. Beim Töten und beim Leiden wurde gerufen, gestöhnt, gewimmert und – dürfen wir das als anthropologische Konstante annehmen? – geflucht. Verwundete brüllten ihre Schmerzen hinaus oder stöhnten vor sich hin. Dies galt für Menschen und Tiere. Auch die Waffen der mittelalterlichen Kriege wirkten nicht geräuschlos. Schwerter klirrten, Pfeile schwirrten und Schilde schepperten. Nimmt man alles zusammen, dann war der Krieg auch in akustischer Hinsicht alles andere als dezent.
Belagerung
Wenn man sich mit mittelalterlichen Belagerungen befasst, sollte man zunächst in die Bibel schauen:
Wenn du gegen eine Stadt anrückst, um sie zu bekriegen, so sollst du ihr (zuerst) eine friedliche Regelung anbieten. Geht sie auf die friedliche Lösung ein und öffnet sie dir die Tore, |58| dann soll dir die ganze darin befindliche Bevölkerung frondienstpflichtig und untertan sein. Wenn sie aber auf keine friedliche Übereinkunft mit dir eingeht, sondern den Kampf mit dir aufnimmt, und du sie belagerst und Jahwe, dein Gott, sie dir in die Gewalt gibt, dann magst du alles Männliche in ihr mit der Schärfe des Schwertes erschlagen. Die Frauen und Kinder jedoch, das Vieh und alles, was sich in der Stadt findet, alles in ihr Erbeutete sollst du an dich nehmen.
Auf dieser Stelle aus dem Alten Testament (Deuteronomium, 20, 10–14) basierte die grundlegende kriegsrechtliche Konvention für Belagerungen im Mittelalter: Wenn sich die Belagerten |59| in Verhandlungen zur Aufgabe
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