Ritter und Raufbolde
bereit zeigten, wurden sie geschont, wenn die Stadt oder Burg aber im Sturm erobert wurde, lag das Wohl und Wehe aller Einwohner in der Hand der Sieger.
Bezüglich der Übergabe auf dem Verhandlungsweg zeigten sich mittelalterliche Kriegsherren oftmals milder als der Gott des Alten Testaments: Die Unterlegenen wurden nicht versklavt, sondern ihnen wurde freier Abzug, häufig unter Mitnahme ihres Besitzes oder ihrer Waffen gewährt. Vor diesem Hintergrund ist die berühmte Geschichte um die Belagerung der Burg Weinsberg durch König Konrad III. im Jahr 1140 zu verstehen:
Der König belagerte eine Burg des Herzogs Welf von Bayern namens Weinsberg und unterwarf dieselbe. Hierbei wurde den darin befindlichen Matronen und übrigen Frauen durch königliche Bewilligung die Erlaubnis erteilt, mit sich fortzunehmen, soviel sie auf den Schultern tragen könnten. Sie nun bedachten sowohl die Treue ihrer Männer als auch das Heil der übrigen, ließen ihr Gerät im Stich und traten heraus, die Männer auf ihren Schultern tragend. Als aber Herzog Friedrich riet, solches nicht zu gestatten, sprach der König zu Gunsten der List der Frauen, es zieme sich nicht, ein Königswort zu deuteln. 8
Das ist in erster Linie sicherlich eine unterhaltsame Geschichte, die verdeutlichen soll, wie treu der König zu seinem Wort steht. Sie zeigt aber auch einiges über den mittelalterlichen Krieg: Kapitulationen konnten mit Bedingungen ausgehandelt werden, und Kriegslisten waren nicht immer als negativ verschrien.
|60| Das grausame Gesicht des Krieges
An keiner anderen Kriegsform zeigt sich die Spannweite dessen, was in mittelalterlichen Kriegen möglich war, so deutlich wie bei Belagerungen. Hier finden wir edelmütige Absprachen zwischen Kriegern (und deren Frauen), aber auch grausame Gemetzel:
Schauerlich war es anzusehen, wie überall Erschlagene umherlagen und Teile von menschlichen Gliedern, und wie der Boden mit vergossenem Blut ganz überdeckt war. Und nicht nur die verstümmelten Leichname und die abgeschnittenen Köpfe waren ein furchtbarer Anblick. Den größten Schauer musste das erregen, dass die Sieger selbst von Kopf bis zu den Füßen mit Blut bedeckt waren. 9
So beschreibt Wilhelm von Tyrus die Eroberung von Jerusalem durch die Kreuzfahrer im Jahr 1099, mithin einen christlichen Triumph über Heiden. Raimund von Aguilers’ Beschreibung desselben Ereignisses ist noch deutlicher:
Mit der Einnahme von Jerusalem […] konnte man wunderbare Dinge erblicken: Einige der Heiden wurden gnädigerweise geköpft, andere gespickt mit Pfeilen von den Türmen gestoßen, wieder andere wurden für lange Zeit gefoltert und dann bis zum Tode von sengenden Flammen verbrannt. In den Häusern und auf den Straßen lagen ganze Haufen von Köpfen, Händen und Füßen und Männer und Ritter liefen über die Leichen hin und her. 10
Ein großer Gott schenkt hier den Kreuzfahrern einen triumphalen – id est blutigen – Sieg über die Heiden. Mit Heiden wurde in dieser Situation nicht verhandelt, und im Krieg gegen Ungläubige konnte sich die kriegerische Gewalt besonders ungehemmt Bahn brechen.
|61| Mit Bestechung zum Ziel
Bestechungen kamen in mittelalterlichen Kriegen auf verschiedenen Ebenen und in unterschiedlichen Kontexten vor. Sie dienten bestimmten Kriegszielen, aber auch dazu, sich dem Kriegsdienst zu entziehen. So wissen wir von Fällen, in denen sich potenzielle Kämpfer durch Bestechung der für die Rekrutierung verantwortlichen Funktionsträger dem Kriegsdienst entzogen. Bei Belagerungen war Bestechung ein oftmals probates Mittel, um einen Kommandeur zur Aufgabe zu bringen: So bot etwa König Wilhelm I. von Schottland 1174 Robert von Vaux eine große Menge Gold an, wenn er ihm Carlisle übergäbe. Aber Roberts Treue war nicht zu kaufen, unter Hinweis auf seine reichen Vorräte lehnte er das Angebot ab. 11
Es ist schwer abzuwägen, ob Kriege zwischen Christen und Heiden grausamer geführt wurden als Kriege zwischen christlichen Gegnern. Was sollte der Maßstab für einen solchen Vergleich sein? Sicher ist aber, dass aus christlicher Sicht kriegsrechtliche Normen nur im Kampf gegen andere Christen zum Tragen kamen. Unzweifelhaft ist auch, dass christliche Autoren ungezügelte Gewalt gegenüber Heiden besser vermitteln und besser erzählen konnten. Wenn christliches Blut vergossen wurde, fiel das überlegene Triumphieren der Sieger verhaltener aus; das macht freilich diese Siege nicht unbedingt weniger grausam.
Waffen der
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