Ritter und Raufbolde
die Disziplin der Truppe musste gesichert sein und der Weg erkundet werden; und all das bei einer verglichen mit heute sehr unterentwickelten Infrastruktur. 16
Ein Feldzug durchlief verschiedene Phasen, die von den ersten Bekanntmachungen und Rekrutierungsmaßnahmen über die eigentliche militärische Operation bis zur Rückkehr der Truppen reichte. Dies konnte eine Schlacht oder einen Kampf mit feindlichen Truppen einschließen, musste es aber nicht.
Nachdem die Truppen versammelt und gemustert waren, vergingen in der Regel einige Tage (oder Wochen) vor dem eigentlichen Aufbruch. In dieser Zeit konnten die Kämpfer trainiert und so an einander gewöhnt werden. Wir besitzen nur |69| eine sehr vage Vorstellung vom Training mittelalterlicher Heere. Hier ist zunächst zwischen der Ausbildung einzelner Kämpfer und dem gemeinsamen Üben zu unterscheiden. Die Angehörigen des Reiteradels wurden im Rahmen ihrer Erziehung als Heranwachsende an den Umgang mit Waffen gewöhnt und lernten auch zu reiten.
Die Teilnahme an Turnieren, die ab dem 12. Jahrhundert in Europa in Mode kamen, und Jagden konnte sicherlich einige für den Krieg wichtige Kenntnisse vermitteln: Reiten, Handhabung von Waffen und Agieren in der Gruppe. Eine direkte und zielführende Vorbereitung für den Krieg war das freilich nur begrenzt.
Lanze und Speer
Lanzen und Speere kamen in mittelalterlichen Kriegen in verschiedenen Formen und Funktionen zum Einsatz. Sie wurden als Wurf- oder Stoßwaffen eingesetzt, von Reiter- wie von Fußkämpfern. Die Verwendung von Wurfspießen endete im Wesentlichen mit dem 12. Jahrhundert; nun behielten die Kämpfer die Lanze in der Hand und benutzten sie als Stoßwaffe. Diese Lanzen oder Speere veränderten ihre Form bis ins 14. Jahrhundert kaum: Ein bis zu zwei Meter langer Holzschaft wurde mit einer eiserne Spitze versehen (siehe auch den Kasten zum ,Spieß‘ auf S. 129). Die Taktik im Reiterkampf ging – etwa ab dem 12. Jahrhundert – zum Angriff mit eingelegter Lanze über: Die Waffe wurde mit der rechten Hand geführt und zwischen Arm und Körper stabilisiert. In enger Verbindung mit dieser Kampftechnik steht das Turnier. Turnier- und Kriegslanzen waren zunächst identisch, nur wurden die Spitzen für das Turnier abgestumpft, um das Verletzungsrisiko zu minimieren.
Die bäuerliche Landbevölkerung in England wurde im 14. Jahrhundert angehalten, sich im Umgang mit Pfeil und Bogen zu üben: Ein Parlamentsbeschluss von 1337 verbot jede andere ,Freizeitbeschäftigung‘.
Durch solche Maßnahmen konnte sichergestellt werden, dass jeder einzelne Kämpfer mit seiner Waffe umgehen konnte. Angesichts der weiten Verbreitung von Waffen auch im mittelalterlichen Alltag wird man ohnehin von einer allgemein hohen Vertrautheit mit der handwerklichen Dimension der Gewaltausübung ausgehen können.
Ziemlich unklar bleibt aber die Frage, wie Kämpfer als Gruppe auf den Kriegseinsatz vorbereitet wurden. Kämpfen ist eine Gemeinschaftsaktion, deren Erfolg wesentlich von dem Zusammenspiel aller Beteiligten abhängt. In zahlreichen Quellen wird das Scheitern einer militärischen Aktion auf mangelnde Disziplin zurückgeführt:
Sie nahmen also die Waffen zur Hand und rückten, als ob sie es nicht mit einem zur Schlacht geordneten Feinde zu tun, sondern Fliehende zu verfolgen und Beute zu machen hätten, so schnell als jeden sein Ross tragen mochte, dahin vor, wo die Sachsen vor ihrem Lager in Schlachtreihe standen. So |71| übel der Anmarsch, so übel war auch der Kampf selbst; sobald das Treffen begann, wurden sie von den Sachsen umringt und fast bis auf den letzten Mann niedergehauen. 17
Hier unterlagen 782 fränkische Kämpfer Karls des Großen einer sächsischen Abteilung am Süntelgebirge (Niedersachsen), weil sie sich im Anmarsch (Strategie) und im Kampf (Taktik) undiszipliniert verhalten hatten.
Es erscheint angesichts solcher Beispiele logisch, dass Heerführer ihre Truppen ausbilden und im Zusammenwirken trainieren wollten. Die Quellen schweigen darüber allerdings weitgehend. Gegen die Annahme, dass Truppen ausführlich gedrillt wurden, sprechen vor allem die hohen Kosten, die damit verbunden waren. Die Kämpfer mussten an einem Ort verpflegt und untergebracht werden, außerdem mussten sie bezahlt werden, ohne dass diesen Kosten unmittelbar Einnahmen in Form von Beute oder Lösegeld entgegengesetzt werden konnten.
Wenn wir in ein spätmittelalterliches Handbuch zum Rittertum blicken, um zu erfahren, wie man ein guter
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