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Rittermord

Rittermord

Titel: Rittermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Noske
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Sie. Sprechen wir doch noch mal über den Grund für Ihre Entlassung. Ich hab schon wieder vergessen, wieviel Lohnerhöhung Sie gefordert hatten. Ich meine, was hatte Kuno Ihnen gesagt, wieviel Sie fordern sollten?«
    Zum erstenmal zeigte die Maske der Glückseligkeit Risse. »Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht folgen. Und ich habe auch nicht die Absicht …« Sie wollte hinter der Kassentheke hervor, aber ich verstellte ihr den Weg.
    »Was haben Sie dafür kassiert? Einen Mietnachlaß? Oder gab’s was bar auf die Kralle?«
    »Lassen Sie mich vorbei.«
    »Nicht bevor Sie meine Frage beantwortet haben.«
    »Sie sollen mich vorbeilassen.«
    »Beantworten Sie mir meine Frage, und Sie können gehen, wohin Sie wollen.«
    »Lassen Sie mich sofort durch!«
    »Erst die Antwort.«
    »Ich schreie«, giftete sie mit der Anmut eines Tasmanischen Teufels. »Und Sie können mir glauben, ich kann sehr, sehr laut schreien.«
    »Nur zu.«
    Sie stellte sich tatsächlich in Positur, drückte die Knie durch, ballte die Fäuste, holte tief Luft und – in allerletzter Sekunde konnte ich ihr ein Sesambrötchen zwischen die Zähne schieben.
    Ich hatte damit gerechnet, daß sie das Brötchen ausspucken und herumtoben würde, aber das war nicht der Fall. Sie blieb einfach stehen, wie sie stand, und erlitt einen Weinkrampf. Die Geräusche, die sie dabei produzierte, erinnerten mich an einen Seehund, der um Fisch bettelt. Um dem grotesken Theater ein Ende zu machen, wollte ich das Brötchen wieder herausziehen, aber sie verbiß sich darin.
    »Zehn Eier, bitte«, sagte Rudi Carells Stimme hinter mir.
    Ich fuhr herum. Der Mann mit dem Carell-Akzent war zirka eins achtzig, schlank und hatte hellbraunes Haar, das bis zur Bürste gestutzt war. Beide Ohren – die lächerlich klein waren, wie das seit Til Schweiger in Mode ist – waren mit goldenen Ringen bestückt. Sein Outfit bestand aus einem Jeansanzug und einem schwarzen T-Shirt. Er war um die dreißig und mir nur mäßig sympathisch.
    »Zehn Eier«, wiederholte er.
    »Sehen Sie welche?« fragte ich.
    Er blickte sich um. »Da hinten.«
    »Dann suchen Sie sich die schönsten aus. Hier haben Sie so ’n Pappding.«
    Ich sah, daß er aus jeder der fünf Paletten zwei nahm, obwohl allein in der obersten genug gewesen wären. Vielleicht war er ja ein Connaisseur.
    »Was hat die Frau?« fragte er, als er zurückkam.
    Von Geplärr hatte die Lingscheid sich inzwischen auf Winseln verlegt. Aber noch immer durch das Brötchen.
    »Sie macht ’ne Performance«, sagte ich. »Zehn Mark.«
    »Für zehn Eier?«
    »Ist Ihnen das zu teuer?«
    »Woanders kosten sie höchstens sechzig Pfennig das Stück.«
    »Dann geben Sie mir höchstens sechs Mark.«
    Er zählte den Betrag aus einem Haufen Münzen ab, den er aus der Hosentasche gebaggert hatte. »Arbeitest du hier?«
    Duzt du mich, duz ich dich. »Wonach sieht das für dich aus? Nach Urlaub?«
    Er ging so grußlos wie er gekommen war.
    »Grüß Beatrix von mir«, rief ich ihm nach.
    Dafür zeigte er mir seinen erigierten Mittelfinger und vergaß, die Tür zu schließen.
    Das besorgte ein Zwei-Meter-Mann mit mindestens zweieinhalb Zentnern Lebendgewicht, der unmittelbar darauf hereinkam. Er hatte ungefähr mein Alter und steckte in einem völlig verknitterten sandfarbenen Anzug, der an ihm herumschlabberte, als habe er ihn zu Hundertfünfzig-Kilo-Zeiten gekauft. Dabei war er, wie man an seinem länglichen Gesicht und seinen langen, schlanken Fingern erkennen konnte, kein Naturdicker. Die Fülle hatte er sich angefressen. Vermutlich aus Frust über seinen Scheißjob.
    »Was ist hier los?« fragte Hauptkommissar Emmelmann mit Blick auf die Lingscheid.
    »Sie hat den Mund zu voll genommen«, sagte ich.
    »Dann helfen Sie ihr doch.«
    »Sie bockt, wenn ich näherkomme.«
    Emmelmann schob mich zur Seite und entfernte das Brötchen mit einem behutsamen, aber nachdrücklichen Ruck. Sofort warf sich die Lingscheid an seine Brust – aufgrund des Größenunterschieds hing sie mehr an seinem Bauch-, schluchzte wild und stammelte etwas von Erniedrigung.
    Als sein Oberhemd so naß war, daß die Feinrippen des Unterhemds durchschienen, hatte Emmelmann die Nase voll. »Nun ist es aber gut, Frau Lingscheid. Jetzt reißen Sie sich mal zusammen und erzählen Sie mir in aller Ruhe, was vorgefallen ist.«
    »Nichts«, sagte ich.
    »Sie halten die Klappe!« Der Brüller war so laut, daß die Lingscheid einen Satz nach hinten machte. »Wir unterhalten uns später.«
    Die Nase

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