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Ritualmord

Titel: Ritualmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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könnten Sie bei einem so wichtigen Fall sogar in Erwägung ziehen, Ihren freien Tag zu verschieben.«
    Ein Tic ließ ihr Augenlid zucken. »Nein«, entgegnete sie, »das werde ich nicht in Erwägung ziehen. Das Team, das Sie da haben, ist durchaus in der Lage, diese Aufgabe zu erfüllen.« Sie musterte ihn, sah die Knollennase und die geplatzten Äderchen an seinen Wangen, und etwas in ihr geriet leicht ins Rutschen. Es hatte etwas mit seinem Gesicht zu tun, mit seiner Hand auf ihrem Fenster und mit einer Menge anderer Dinge. »Ich schlage vor, wir beide sprechen mal offen und sparen uns damit Zeit, ja?«
    »Offen?«
    »Ja.« Sie wusste, sie sollte jetzt aufhören, aber es gefiel ihr, 
    wie die Worte klar und deutlich aus ihrem Mund kamen. »Wir wissen beide, dass Sie sie da drin nicht finden werden.«
    »Das wissen wir?«
    »Ja«, sagte sie, »das wissen wir.«
    Die Farbe seiner rot geränderten Augen war ein verwaschenes Blau. »Das ist komisch, denn solange Ihre Einheit den Teich noch nicht mal abgesucht hat, verstehe ich nicht, weshalb Sie so genau wissen können, wo sie ist. Was macht Sie zu einer Expertin in der Frage, wo eine Leiche am Ende auftaucht?«
    Jahrelanges Training?, dachte sie. Jahrelange Erfahrung mit dem, was das Wasser so tut? Ach ja, und außerdem ein bisschen Hellseherei - eine kleine Fähigkeit, von der ich erst seit gestern weiß, dass ich sie habe.
    »Sie sind nicht dafür qualifiziert, Suchparameter zu bestimmen«, sagte er. »Ich meine, seien wir ehrlich, Sie sind nur eine...«
    »Eine Taucherin? Nur eine Taucherin? Wollten Sie das sagen?«
    »Es gibt klare Profile für Personen in Kitsons Zustand. In neun von zehn Fällen wird jemand, der wie sie aus einer Klinik spaziert, entweder im nächsten Ort erwischt, wo er versucht, an Stoff zu kommen, oder er steigt in den erstbesten Bus, der hier abfährt. Aber wenn er sich umbringt, findet sich der Leichnam in einem Zweimeilenradius um die Klinik.«
    Flea schwieg einen Moment. Dann schaute sie auf seine Hand, die immer noch auf dem Seitenfenster lag. »Sie sind neu, nicht?«, fragte sie. »Ich hab Sie noch nie gesehen.«
    »Ich habe meine Ausbildung kürzlich abgeschlossen, ja.«
    »Und in welchem Teil Ihrer Ausbildung als Bombensucher haben Sie gelernt, eine Leiche zu finden?«
    »Unsere Ausbildung umfasst mehr als nur die Suche nach unkonventionellen Sprengfallen und Brandsätzen, wissen Sie.« 

    »Ich weiß. Danach sitzen Sie noch zwei Tage oben in North Wales und lernen, wie man ein paar Profile liest. Sie können eine elektronische Karte benutzen, aber Sie können nicht...« Sie sah plötzlich Prody am vergangenen Abend vor ihrer Haustür im Licht der Lampe. »Sie können nicht unkonventionell denken.«
    Der Fahndungsberater richtete sich auf. Sie konnte in seine Nasenlöcher schauen und die kleinen Haare und die roten Hautrunzeln dort sehen - als hätte er einen Schnupfen gehabt und sich ständig die Nase geputzt. »Tja«, sagte er und rümpfte sarkastisch die Nase, »vielleicht bringen Sie mir ja bei, wie man unkonventionell denkt    Flea seufzte, ließ den Motor an und löste die Handbremse. »Weil sie ein schönes Mädchen ist«, sagte sie geduldig. »Ein berühmtes Mädchen. Und wenn berühmte, schöne Mädchen sich umbringen, dann sorgen sie dafür, dass eine schöne Leiche dabei rauskommt. Das bedeutet, dass sie sich nicht ertränken. Und schon gar nicht in einem beschissenen alten Tümpel wie dem da. Kapiert?«
    Sie wartete nicht auf eine Antwort. Sie wusste, dass der Constable geradewegs zum DCI rennen und petzen würde, sie wusste, dass sie den Mund hätte halten sollen, statt einfach so draufloszuplappern. Sie legte den Gang ein und fuhr los, ließ den vor Wut kochenden Fahndungsberater in einer Staubwolke stehen. 

       44
     
    18. Mai
    Vor der Zentrale entdeckte sie Cafferys klapprigen Wagen sofort. Er stand am Rand des Parkplatzes und sah ein bisschen bockig aus, wie er sich so von den glänzenden Mondeos und BMWs abhob.
    Sie hielt daneben an, stellte den Motor ab und blieb einen Augenblick sitzen. Sie betrachtete ihre Hände mit den hellen Fingernägeln auf dem Lenkrad, und im Geist sah sie eine sehr straff gespannte Leine vor sich. Ihr Körper fühlte sich leer an, ihr Kopf leicht. Wenn sie nicht bald Kaiser träfe, würde irgendetwas in ihr aufplatzen.
    Eine vertraute Gestalt kam aus dem gläsernen Atrium. Cafferys Jackett war offen. Er

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