Ritualmord
machen, als sie plötzlich hochschreckte. Sie hatte den Eindruck, dass draußen vor dem Fenster ein Feuerwerk explodierte, irgendwo im blauen Himmel über den Türmen von Bath.
Sie setzte sich auf und drehte sich zum Fenster um, und dabei entdeckte sie noch etwas: eine Bewegung hinter ihr im Schatten, einen schemenhaften Farbklecks, als streckte etwas im Arbeitszimmer die Hand nach ihrem Nacken aus. Als sie sich umdrehte, war da nichts außer den Sonnenlichtflecken, die auf der Wand tanzten. Eine Zeit lang saß sie da und starrte sie stupide an. Und plötzlich lachte sie. Sie lehnte sich zurück, und das Lachen war größer als ihr Mund, größer als ihre Zunge, größer als ihre Kehle. Und so fing es an.
Sie konnte nicht sagen, wann die Halluzinationen ihren Höhepunkt erreichten, wie lange der Trip da schon dauerte, aber irgendwann wusste sie, wer sie und wo sie war und dass sie eine Droge genommen hatte, die jetzt wirkte. Und im nächsten Moment drückte sie das Gesicht fest an das Sofa. Der Stoff, so dicht vor ihren Augen, war hundertmal vergrößert, und die Fäden des Gewebes waren dick wie Baumstämme.
Sie roch Mottenkugeln und sah einen kleinen weißen Punkt, wahrscheinlich einen fehlerhaften Faden im Bezug, aber plötzlich war er groß, und sie begriff, dass es gar kein Faden war, sondern ihre Mutter zwischen den Bäumen, in Jeans und T-Shirt und mit einem geblümten Tuch um den Kopf. Sie hockte am Boden und betrachtete ein Büschel Hundsveilchen.
Fleas Mund bewegte sich an dem rauen Sofastoff, und ein Wort kam heraus: »Mum!« Sie kam von weit her, ihre eigene Stimme, wie von einem fernen Hügel, aber Jill Marley hörte sie. Sie drehte sich um und schaute fragend zwischen die Bäume, aber sie sah ihre Tochter nicht. Ihr Gesicht wirkte traurig – Flea erkannte es an der geraden Linie ihrer Lippen und dem Schimmern in ihren Augen.
»Oh, Mum.« Es schnürte ihr die Kehle zu. Sie hob die Hand, um das Bild zu berühren. »Mum? Was ist denn?«
Jill starrte zwischen die Bäume. Langsam und vorsichtig, weil sie ihre Tochter immer noch nicht sehen konnte, begann sie zu sprechen. Flea wusste, dass es sehr wichtig war, was sie sagte, und sie strengte sich an, um es zu hören, aber in diesem Moment verblasste das Bild, und Flea befand sich wieder auf dem Sofa, an das sie sich erinnerte; sie fühlte den Stoff an ihrer Wange, und von der Halluzination war nur noch eine Ahnung geblieben, so klar wie der Wind oder die Meeresdünung, die Ahnung dessen, was ihre Mutter hatte sagen wollen: »Du hast am falschen Ort gesucht. Wir sind in die andere Richtung gegangen.«
Wir sind in die andere Richtung gegangen.
Und als sie dort auf dem Sofa lag und die Spätnachmittagssonne durch die Spalten der Jalousie auf ihre roten Lider schien, wusste sie ohne jeden Zweifel, dass ihre Mutter damit nur eins gemeint haben konnte.
Sie meinte den Unfall.
25. November
Es stellt sich raus, dass Skinny es nicht auf einen Blowjob abgesehen und etwas ganz anderes im Sinn hat. Er führt Mossy zu einem kleinen Parkplatz neben einer Reihe Garagen. Sie steigen in einen ramponierten alten Peugeot, und Skinny gibt ihm einen Schuss. Der Stoff ist so gut, dass es ihm die Tränen in die Augen treibt.
»Kann ich dir das aufsetzen?«, fragt Skinny nach einer Weile, als er sieht, dass das Heroin bei Mossy seine Wirkung tut. Er hält eine Schlafmaske hoch, wie sie die Leute in den Anzeigen für Langstreckenflüge tragen. »Ich werde dich irgendwohin fahren, zu jemandem, der dir helfen kann. Aber er will, dass du dieses Ding trägst. Du sollst nicht sehen, wo er wohnt. Was willst du? Willst du es aufsetzen oder nicht?«
Mossy nimmt Skinny die Maske ab und lässt sie an seinem Finger baumeln, schaut sie lächelnd an. Eins sagt jeder über Mossy: Er hat keine Angst, was zu riskieren. »Jemand wird mir >helfen«
»Ja. Was willst du? Geld? Oder noch mehr Stoff? Ziemlich guter Stoff, hm?«
Mossy hat plötzlich ein Bild vor Augen: Er wird auf irgendein Brachgelände gefahren und kriegt eine Kugel in den Kopf. Dann denkt er an Geld, und seine selbstmörderische Hälfte denkt: Scheiße, was soll’s? Er streift sich das Gummiband über den Kopf und lehnt sich zurück. »Na los«, sagt er und lächelt immer noch. »Die Show kann beginnen.«
Eine Weile ist es still, und er fragt sich, ob er die Maske wieder abnehmen soll. Dann schaukelt der Wagen, die Tür wird geöffnet und zugeschlagen, eine andere Tür öffnet sich, und er begreift, dass Skinny
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