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Ritualmord

Titel: Ritualmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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vorn ausgestiegen ist und sich zu ihm auf 
    den Rücksitz gesellt hat. »Hey? Was hast du vor?« Aber er spürt Skinnys Hand an seinem Gesicht, die schwieligen Finger fühlen sich an wie Hanfstricke, streichen die Maske glatt und drücken sie fest. Er hebt nicht die Hand, um Skinny daran zu hindern. Er wartet einfach schweigend ab. Sie sitzen da, bis er Schritte hört und jemand in den Wagen steigt. Das Chassis wippt und ächzt, und jemand verstellt den Vordersitz, aber niemand spricht. Dann startet der Motor, und Mossy leckt sich die Lippen. Das Abenteuer fängt an.
    »Los geht’s«, sagt er und lacht. »Los geht’s.«
    Es ist wie in einem dieser New Yorker Gangsterfilme, in denen Ray Liotta mitspielt, und Mossy fragt sich ein paarmal ernsthaft, ob er jetzt dran ist. Auch mit dem Heroin in der Birne ist er klar genug, um Kleinigkeiten wahrzunehmen. Der Geruch von Aftershave – der kommt von dem Fahrer, nicht von dem kleinen schwarzen Typen neben ihm, der die Maske festhält. Und da ist noch ein anderer Geruch, von etwas Bitterem, von Wurzeln oder Erde vielleicht.
    Sie rumpeln dahin, und er hört andere Autos, Busse und Motorräder, die in beiden Richtungen an ihnen vorbeifahren. Er hört das Klicken des Blinkers, aber noch immer sagt niemand etwas. Er hat die Orientierung verloren, und als sie anhalten und ihn sanft auf den kalten Boden hinauskippen, schlägt sein Herz schneller. Ist es das? Das Ende?
    Aber das ist es nicht. Ein Stück weit gehen und eine Stimme von irgendwoher: ein Typ, aber er kann nicht genau verstehen, was er sagt, denn sein Akzent ist nicht von hier. Mossy hört einen Schlüssel in einer Tür, dann wird er in ein Gebäude geführt; er spürt, dass die Temperatur sich ändert. Es ist warm hier drin, er fühlt einen Teppich unter seinen Füßen, und es riecht schlimmer als im Auto. Es riecht wie in dem alten Crackhaus, das letztes Jahr in der Sozialsiedlung aufgemacht hat; ein Drecksladen war das, die Leute da drin halb tot – und 
    einmal einer komplett tot und in einer gruseligen Stellung, über einen Tisch gebeugt und mit heruntergelassener Unterhose; und alle tuschelten, wie er sich hatte ficken lassen, als sein Herz auf einmal stehen geblieben war, und sie wollten darauf wetten, dass jetzt irgendwo in der Stadt ein alter Freier mit einer Scheißangst darauf wartete, dass die Bullen an seiner Tür klingelten. Irgendwo läuft ein Fernseher. Mossy wird um Möbel herumbugsiert, und dann kommt ein langer Korridor. Skinny führt ihn immer noch, und der Fahrer geht vor ihnen her. Eine Tür wird geöffnet, ein Vorhang zurückgezogen. Er hört Schlüssel, schwer und metallisch wie der Schlüsselbund eines Knastwärters, und mit rostigem Quietschen öffnet sich eine Pforte. Aber jetzt sperrt Mossy sich.
    Er weicht zurück, ist plötzlich unsicher. »Nee. Gefällt mir nicht.«
    »Ist okay, Söhnchen«, sagt eine Stimme, die er nicht kennt. Der Fahrer? »Sollen wir dich zurückbringen?«
    Schon kann Mossy spüren, dass der Hit seinen Höhepunkt erreicht hat. Ein flaues Gefühl im Nacken sagt ihm, dass der Turning Point nicht mehr weit ist. Dass er in ein paar Stunden wieder Höllenqualen leiden wird und sterben will.
    »Habt ihr was für mich? Ich hoffe bloß, ihr habt was für mich.«
    »Komm durch«, sagt die Stimme. »Du kannst es sehen. Sobald du durchgegangen bist.«
    Er hat einen bitteren Geschmack im Mund, aber er geht trotzdem durch. Er muss die Füße heben, denn die Öffnung ist kleiner als eine normale Tür, und er fragt sich, wo, zum Teufel, er hier ist. Er hört, wie die Tür hinter ihm verschlossen wird, und wieder sträubt er sich ein bisschen, aber er fühlt die kleinen, rauen Hände an seinen Armen, als Skinny ihn weiterführt und voranschiebt. Die Luft ist besser hier drin; es riecht nur leicht nach Verbranntem und Feuchtigkeit, aber besser als zuvor. 

    »Hier«, sagt Skinny. »Wir sind da.« Und er drückt ihn auf einen Sitz.
    Mossy tastet nach der Maske und zieht sie herunter. Er blinzelt. Sie sind allein, ohne den Fahrer, in einem Raum ohne Tageslicht – das einzige Licht kommt von einer ganz normalen, schiefen Lampe, die neben dem Sofa steht – und mit einer dreistrahligen Elektroheizung an einer Verlängerungsschnur, die sich irgendwo ins Dunkel davonschlängelt. An den Wänden klebt eine alte Tapete, aber sie ist bekritzelt, als ob hier Kinder gewohnt hätten, und jemand hat Poster aus Teenager- Zeitschriften an die Wand gepinnt: Russell Crowe in Gladiator, Brad Pitt in

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