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Ritualmord

Titel: Ritualmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Fläche in der Küche türmten sich staubige Stapel von Zeitschriften, Briefen und Absonderlichkeiten, die er überall auf der Welt gesammelt hatte. Genau wie in Dads Arbeitszimmer. Man konnte es kaum fassen, dass Kaisers größtes Hobby das Kochen war. Im Lauf der Jahre hatte er Flea zum Gegenstand seiner Aufmerksamkeiten gemacht. Immer war sie es, die er beiseite nahm; er erzählte ihr Geschichten, zeigte ihr geheime Orte in seinem Garten und ließ sie die Finger durch die Augenlöcher an den traditionellen Masken seiner Familie schieben. Aber vor allem bewies er ihr seine Zuneigung durch Kochen. Seine Rezepte waren Anleihen aus den Traditionen unterschiedlichster Völker. Manchmal machte er Kokosnusstorte, manchmal ein mit Kondensmilch gesüßtes Couscous in einer angestoßenen Schale von Woolworth. Heute Abend war es klebriges Dattelbrot; zwei Laibe lagen zum Abkühlen auf einem Kuchengitter. Flea schnitt einen auf und arrangierte die Scheiben auf einem Teller, den sie durch den zugigen Korridor trug.
    »Ich bin’s nur.« Sie zog den Kopf ein und schob sich durch die Plastikplane vor der Wohnzimmertür. »Nur ich.«
    Das Zimmer war schwach erleuchtet und chaotisch mit seinen klobigen Möbeln und den vollgestellten Regalen. In der Ecke stand eine schäbige Stehlampe. Kaiser war genau da, wo sie ihn erwartet hatte: im Sessel in der Ecke, die Beine hochgelegt und übereinandergeschlagen, die Hände nachdenklich zu einem Spitzdach zusammengelegt. Er rührte sich nicht, als sie hereinkam, und sah weder überrascht noch erfreut aus. Konzentriert schaute er auf einen Punkt dicht vor seiner Nase. Er trug einen Pyjama, der bis zur halben Wade reichte, und seine langen Füße steckten in lächerlich aussehenden blauen türkischen Pantoffeln.
    Sie stellte den Teller mit dem Dattelbrot auf den Couchtisch. Er blickte starr geradeaus, und seine langen gelben Fingernägel berührten die Spitze seiner breiten Nase, als wäre sie  
    zu schwer für sein Gesicht, sodass er sie festhalten musste. Neben seinem Sessel auf einem kleinen Schränkchen befand sich ein Computer. Auf dem Bildschirm leuchtete die Website von DiveNet, einem internationalen Sporttaucherforum, und daneben stand ein Foto seiner afrikanischen Exverlobten Maya. Er hatte Maya vor dreißig Jahren verloren, aber er sagte, er liebe sie immer noch. Mayas Mund, sah Flea, war exakt auf einer Höhe mit Kaisers rechtem Ohr.
    »Kaiser?«, sagte sie schließlich. »Kaiser, die Tür war offen.«
    Er nickte.
    »Kaiser? Kannst du mich hören?«
    Er schüttelte sich und warf einen Blick auf den Monitor. »Ja, Phoebe«, sagte er, »ich kann dich hören. Aber ich bin so traurig. So traurig wegen deiner Eltern. Noch nach all der Zeit.«
    Normalerweise hätte sie sich jetzt zu ihm gesetzt oder ihn umarmt. Aber sie musste ernsthaft mit ihm sprechen. Sie nahm im Sessel gegenüber Platz, beugte sich vor und stützte die Ellbogen auf die Knie.
    »Kaiser«, sagte sie, »erinnerst du dich, wie Dad dir immer einen Rippenstoß gegeben hat, wenn du uns etwas gekocht hast? Erinnerst du dich? Er hat dich angestoßen und gesagt: >Kaiser, mein Alter, bist du sicher, dass in diesem Kuchen nichts ist, wovon wir wissen sollten?<«
    Kaiser lächelte. Er senkte das Kinn, und bei der Erinnerung musste er fast lachen.
    »Nur«, sagte sie ernsthaft, »diesmal ist es kein Witz.«
    Sein Lächeln verschwand. »Wie bitte?«
    »Diesmal, Kaiser, ist es nicht annähernd so komisch, wie ich immer dachte.« Sie sah ihn lange und fest an. Seine Augen waren eiterfarben und ein bisschen blutunterlaufen. Etwas an seinem grobknochigen Gesicht hatte sie immer an einen haarlosen Ziegenbock erinnert. »Weißt du, jetzt wird mir klar, dass es eigentlich nie ein Witz war. Nicht für die Leute, auf die es ankam.« 

    »Was um alles in der Welt meinst du damit?«
    Sie wandte sich den Schränken in den Nischen zu beiden Seiten des Kamins zu. Sie waren verschlossen, und als sie jetzt darüber nachdachte, erkannte sie, dass es in Kaisers Haus immer Dinge gegeben hatte, die weggeschlossen, Orte, die ihr und Thom verboten waren. Immer wieder wandten Leute sich an Kaiser und fragten nach seinen Schamanenfähigkeiten, und er lachte darüber. »Ich bin wohl kaum ein Schamane, nur ein verstaubter alter Professor.« Aber da war etwas Verborgenes an ihm, etwas in seinem sehnigen Körper, der trotz seines Alters ziemlich kräftig wirkte, etwas in seinem Blick, wenn er jemanden fixierte. Dad sagte, Kaiser wisse, »wovon er spreche«,

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