Ritualmord
und in seinen Schränken verwahre er seine rituellen Drogen. Flea hatte es immer für einen von Dads Scherzen gehalten. Sie war nicht sicher, ob sie es je geglaubt oder viel darüber nachgedacht hatte – bis jetzt.
»Phoebe? Ich habe dich etwas gefragt.«
Seufzend nahm sie ein Stück Dattelbrot, ließ sich in den Sessel zurücksinken und streckte die Beine aus. Ihre Hände lagen auf ihrem Bauch, und sie starrte missmutig auf das Gebäck in ihrer Hand. »Ich war in Dads Arbeitszimmer, Kaiser. Da, wo er alle seine Bücher hat. Ein paar von deinen Sachen sind auch da.«
»Ja?«
»Ja, und ein Safe – aber ich konnte ihn nicht öffnen. Die Kombination ist nicht im Arbeitszimmer.« Sie spielte mit dem Brot herum und widerstand der Versuchung, ihm in die Augen zu schauen. »Ich habe überall gesucht, aber ich habe sie nicht gefunden, und ich dachte, vielleicht weißt du, wo sie ist. Oder wo er sie aufbewahrt haben könnte.«
»Bist du deshalb zu mir gekommen?«
»Weißt du, wo er sie aufbewahrt hätte?«
Ungeduldig atmete Kaiser tief ein und ließ die Luft dann langsam durch die Nase entweichen. »Ich weiß nichts über ei-
nen Safe oder eine Kombination. Und ich frage noch einmal: Bist du deshalb zu mir gekommen?«
Flea legte das Dattelbrot wieder auf den Teller und drehte den Kopf hin und her, als hätte sie einen steifen Nacken. »Kaiser«, sagte sie nach einer Weile, »Kaiser, weißt du, warum Dad sich tagelang in seinem Arbeitszimmer eingesperrt hat?«
Kaiser ließ die Fußstütze an seinem Sessel herunterklappen und setzte sich aufrecht hin. Einen Augenblick lang war es still. »Ich möchte dich etwas fragen, Phoebe. Weißt du, warum? Weißt du, warum dein Vater es getan hat?«
»Ich glaube, ja. Ja. Ich glaube, ich weiß es.«
»Der Drang deines Vaters zu verstehen, war größer als bei sonst irgendjemandem, den ich kenne. Er muss mit dir über >Sekundäre Aufmerksamkeit gesprochen haben.«
»Die Orte in unserem Kopf – Orte, die wir nicht immer erreichen können, außer wenn wir träumen oder ohnmächtig sind. Oder unter Hypnose. Davon hat er immer gesprochen. Von einem Ort, wo der Schlüssel zu Dingen verborgen ist, die wir begraben haben. Und von seiner Methode, dort hinzukommen…« Sie hob den Kopf und blickte ihm in die Augen. »Hat er es mit Drogen getan?«
»Dein Vater kannte viele verschiedene Wege. Manchmal war es Meditation, aber ja, oft waren es auch Drogen.«
»Ich hab’s gewusst.«
»Urteile nicht zu schnell über ihn. David hatte immer das Bedürfnis, Dinge aufzudecken, seinen Kopf zu zerlegen – etwas herauszuholen.«
Flea ließ einen Augenblick verstreichen. Dann zog sie den Beutel mit den Pilzen aus der Tasche und ließ ihn zwischen ihnen auf den Boden fallen. »Psilocybin«, sagte sie. »Ich hab’s nachgeschlagen. Es bedeutet >Kahlkopf<. Die Azteken nannten sie teonancatl -Fleisch der Götter.« Sie schwieg eine Weile und schaute auf den Beutel hinunter. »Sie könnten mich meinen Job kosten.«
Kaiser machte ein klickendes Geräusch in seiner Kehle. Sie erinnerte sich, dass sie dieses Geräusch schon vor Jahren gehört und immer gedacht hatte, man könne es auf den Hochebenen Nigerias hören, von einem Hirten, der damit seine Kurzhornrinder zu sich rief. Aber jetzt begriff sie, dass es den Augenblick signalisierte, in dem eine Idee zustande kam. »Du hast sie genommen. Ich kenne dich, Phoebe, ich höre es an deiner Stimme. Du hast sie genommen. Ohne mich um Rat zu fragen.«
»Ja«, sagte sie langsam. »Und ich möchte sie noch einmal nehmen.«
Er schnaubte. »Sei kein Idiot.«
»Du hast gesagt, Dad hat damit Dinge aus seinem Kopf gezogen?«
»Ja.«
»Lach nicht darüber, Kaiser – aber hast du bei deiner Forschungsarbeit jemals…« Sie senkte die Stimme zu einem Flüstern. »…hast du je gehört, dass jemand gesagt hat, Drogen helfen ihm, mit Leuten zu kommunizieren, die gestorben sind?«
Kaiser seufzte. »Du meinst deine Eltern?«
»Mum.«
Er schüttelte den Kopf, stand auf und trat vor die verschlossenen Schränke. Er legte sich eine Hand ins Kreuz. Diese Gebrechlichkeit – das war eine Lüge, dachte sie nicht zum ersten Mal an diesem Abend. Sein Körper und die klauenähnlichen Hände wirkten kraftvoll. »Phoebe«, sagte er mit leiser Stimme, »es gibt Dinge, die du ruhen lassen musst. Du kannst nicht immer wieder zurückgehen und sie aufwühlen.«
»Würde Dad sie ruhen lassen?«
»Nein.«
»Dann weißt du, dass ich es auch nicht tun werde.« Sie
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