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Ritualmord

Titel: Ritualmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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beugte sich vor. »Es könnte mich den Job kosten, aber das ändert nichts. Ich will noch einmal dahin, wo ich letzte Nacht gewesen bin.« Sie schwieg. Ihre Stimme war immer leiser geworden. 
    »Ich habe sie gesehen, Kaiser, ich habe sie gesehen. Sie hat versucht, etwas über den Unfall zu sagen.« Flea schüttelte den Kopf und ballte die Faust. »Aber ich konnte nicht ganz… konnte nicht ganz verstehen, was sie meinte.«
    Kaisers Gesicht war ernst. »Was hast du gesagt?«
    »Ich habe gesagt, etwas an dem Unfall – etwas an der Art, wie wir darüber denken – stimmt einfach nicht. Wir suchen am falschen Platz.« Sie hielt seinem Blick stand. »Kaiser, ich werde es tun – ich werde die Pilze noch einmal nehmen. Herausfinden, was sie meinte.«
    Ein endlos langes Schweigen trat ein. Hinter seinen Augen ging etwas vor – fast konnte sie die Berechnungen sehen, die er anstellte. Dann brach Kaiser den Blickkontakt abrupt ab und kehrte zu seinem Sessel zurück. Einen Augenblick lang saß er da, die Hände auf den Armlehnen, den Kopf zur Seite gedreht, und schaute das Gesicht seiner Exverlobten an. »Wenn du mit Menschen kommunizieren willst, die gegangen sind«, sagte er leise, »gibt es da etwas. Ein Halluzinogen, das du kontrollieren kannst, eine legale Droge. Dein Vater hat mich damit bekannt gemacht.«
    »Aber du glaubst es nicht, oder? Du glaubst nicht, dass alles wahr ist?«
    Kaiser tat, als hätte er ihre Frage nicht gehört. »Im Arbeitszimmer deines Vaters wird Literatur darüber zu finden sein. Bitte lies sie, und dann komm wieder her. Wirf die Kahlköpfe weg; sie werden dich nicht weiterbringen. Aber das andere schon.«
    »>Das anderedas anderes Kaiser?«
    »Was ist >das andereDas andere< heißt >Ibogain<.« 

    »Ibogain?« Sie flüsterte das Wort. Es ließ Bilder in ihrem Kopf entstehen: Feuerschein und Menschen, die im Dunkeln uralte Tänze aufführten.
    »Ibogain«, wiederholte Kaiser. »Und wenn du wirklich noch einmal mit deiner Mutter sprechen willst…«
    »Ja?«
    »…dann ist das der einzige Weg für dich.«
    9
    14. Mai
    Am Morgen des zweiten Tages mit diesem Fall saß Jack Caffery am Hafen von Bristol und trank Kaffee, während er dem Tauchteam beim Vorbereiten der Ausrüstung zusah und an eine bestimmte Richtung dachte: an den Westen. Lange Zeit hatte er nicht vorgehabt, nach Westen zu ziehen, wenn er London verließ, sondern nach Osten – in eine Richtung, die ein Engländer mit kaltem Wind und Invasoren assoziiert. Etwa um die Zeit, als sein Gefühl der Verbindung mit Ewan verschwunden war, hatte er in Norfolk gearbeitet, und vielleicht war das der Grund, weshalb er glaubte, ein Stück von ihm sei dort hängen geblieben. Danach hatte er eine Zeit lang eine Stelle in East Anglia gesucht und die Angebote im Internet verfolgt. Aber als die Monate vergingen, ohne dass dort eine Stelle frei wurde, richtete er seine Aufmerksamkeit auf den Westen, wo er etwas Interessanteres zu finden hoffte.
    Ein Häftling war aus dem offenen Strafvollzug entlassen worden. Ein Mann, der sich auf eine spezielle Art von Gewalttätigkeit verstand. Je mehr Caffery darüber nachdachte, desto klarer wurde ihm, dass er ihn kennenlernen musste. Es war fast 
    wie ein Omen, als in der Abteilung für Schwerstkriminalität in Bristol ein Posten angeboten wurde. Caffery wartete nicht länger auf Norfolk und ging in den Westen – zu Schmugglern und Apfelhainen nach Somerset, ins Land der Sommerleute.
    Es war merkwürdig, wie gut die Dinge liefen; die Arbeit im Westen gefiel ihm – sie besaß eine Geradlinigkeit, die man in London, wo alles, was man tat, am Ende ein wenig verkorkst war, vergeblich suchte.
    Jetzt, als Boote und Restaurantfenster in der Sonne funkelten und verliebte Schwäne im Hafen die Hälse herzförmig zusammenlegten, musste er sich eingestehen, dass es ihm im Westen gefiel. Ja, dachte er und schaute hinunter zu der Tauchercrew, die eben das Boot beladen hatte, und zu Flea, die im Bug stand und den Reißverschluss an ihrem Tauchanzug hochzog, ja, wenn er sich nicht selbst etwas versprochen hätte und es ihm mit Frauen nicht so schlecht ginge, dann könnte es ihm hier wirklich gefallen.
    Sie befand sich nur einen Schritt weit unter ihm. Das

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