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Ritualmord

Titel: Ritualmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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zur Wiedergutmachung gehabt: Er hatte wegen Ewan nie im Knast gesessen, und er hätte aus seinem Leben machen können, was er wollte. Aber er war gestorben, allein und ohne einen Penny, ohne Familie und Freunde, nur mit einem Stapel Kataloge für Kinderunterwäsche in seinem ärmlichen Häuschen. Und selbst das war eine Million mal besser als das, was er verdient hatte. 

    Tig stand auf und nahm den riesigen Schlüsselbund vom Schreibtisch. Er ging zur Tür und drehte sich dann um. »War’s das dann?«
    Caffery erhob sich, klappte die Ledermappe zu und folgte Tig zur Tür. Er blieb vor ihm stehen und sah ihm in die Augen. »Eins noch«, sagte er leise. »Wenn Sie mir die Beine wegnähmen, wissen Sie, was ich dann wollen würde?«
    »Nein. Was würden Sie wollen?«
    »Ich würde es Ihnen zurückzahlen wollen.« Er lächelte, und es fühlte sich an, als hätte er Blut an den Zähnen. »Ich würde Ihnen die Beine nehmen wollen.«
    20
    15. Mai
    Tig war nicht in der Stimmung, über das zu reden, was er gesagt hatte. Ich hin nicht schwul. Als er zu Flea kam, die still in der dunklen Küche im Erdgeschoss saß und darauf wartete, dass Caffery ging, war sein Gesicht rotfleckig und sein Blick hart. Sie fragte ihn, was los sei, worüber sie geredet hätten, aber er schüttelte den Kopf und schwieg auf der Fahrt zum Haus des Restaurantbesitzers. Erst als sie vor der Tür standen und darauf warteten, dass man ihnen öffnete, sprach er wieder.
    »Die sind heute noch genauso wie vor fünfzehn Jahren. Der Typ da hätte geradewegs aus Die Füchse kommen können.«
    Flea antwortete nicht. Sie starrte das kleine Fenster in der Haustür des Restaurantbesitzers an. Ein paarmal hätte sie auf der Fahrt hierher beinahe gesagt: »Hör zu, Tig, wir vergessen die Sache, ja? Wir drehen einfach um und tun, als hätte ich nie 
    was gesagt.« Sie wusste, dass sie sich zu weit vorwagte, und jetzt fühlte sie sich ein wenig benommen, als hätte man ihr ein Gummiband um den Schädel gelegt, das sich immer straffer zusammenzog. Wenn sie recht behielt, war dieses unschuldig aussehende Haus der Schlüssel für die Antwort auf die Frage, wie Mallows seine Hände verloren hatte.
    »Hey, bist du noch da?«, fragte Tig.
    Sie blinzelte. »Was?«
    »Ich sagte gerade – dieser Bulle. Jack Caffery. Hat einen Auftritt hingelegt wie in einem faschistischen Polizeistaat. Aggressiv. Ein anderes Wort gibt’s dafür nicht.«
    »Er ist nicht so übel.«
    Tig musterte sie von Kopf bis Fuß, bis ihr unbehaglich zumute wurde. Dann lächelte er schmal. »Siehst du? Jetzt hast du dich verraten. Du stehst auf ihn.«
    Sie wollte antworten, als drinnen Türen aufgeschlossen wurden. Sie straffte die Schultern und strich verlegen über ihre Jeans, wünschte, sie hätte einen Spiegel.
    Der Mann, der die Tür öffnete, wirkte mit seinem schmalen Körper und dem kurz geschnittenen grauen Haar wie ein etwas ängstlicher Gelehrter. Seine Haut war so dunkel, dass es aussah, als wäre sie mit Asche bestäubt. Er war einfach gekleidet: eine leichte Hose mit Gürtel, ein hellgrün kariertes Hemd mit aufgekrempelten Ärmeln. Die Haut an seinen Unterarmen glänzte, als wäre sie eingefettet.
    »Mr. Mabuza.« Tig streckte die Hand aus. »Nett, dass ich kommen durfte. Ich weiß, es war ein bisschen kurzfristig.«
    Mabuza lächelte gezwungen. »Keine Sorge, alter Freund.« Vorsichtig, beinahe behutsam, ergriff er die Hand und schüttelte sie. Dann sah er Flea an und neigte den Kopf. »Gift Mabuza. Und Sie sind…?«
    »Das ist Flea, meine – meine Freundin. Das stört Sie hoffentlich nicht.«
    Nicht eine Freundin, sondern meine Freundin? Wann zum 

    Teufel habe ich denn dazu mein Okay gegeben?, dachte sie. Aber Mabuza schaute sie an; also nahm sie die Sonnenbrille ab und streckte die Hand aus. Einen Sekundenbruchteil nur hatte sie den Eindruck, als huschte da etwas über sein Gesicht; dann nahm er ihre Hand und schüttelte sie leicht. »Kommen Sie herein«, sagte er. Es klang steif und knapp. Man hörte nur die Spur eines Akzents, ein bisschen wie Kaiser manchmal, und irgendwie dachte sie an Eliza Doolittle: ein wenig zu englisch, um echt zu sein. »Kommen Sie, kommen Sie.«
    Sie trat ein, und sofort spürte sie einen Sog, als zöge das Halbdunkel die Energie aus ihrem Körper. Ein Geruch hing in der Luft, der Geruch von Essen, das vor Monaten gekocht worden war, von Trauer. Mabuza führte sie ins Wohnzimmer und ließ sie dort zurück, um Kaffee zu holen. Es dauerte eine Weile, bis

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