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Ritualmord

Titel: Ritualmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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zu halten, aber er fiel ihm aus der Hand und landete umgekehrt auf dem Teppich; die Kekse waren überall verstreut.
    Klappernd stellte sie ihre Kaffeetasse ab. »Verdammt, ich bin – warten Sie, ich mache das.« Bevor Mabuza irgendetwas tun konnte, hatte sie den Couchtisch zurückgeschoben. Auf Händen und Knien sammelte sie die Kekse ein, legte sie wieder auf den Teller und harkte mit den Fingern auf dem Teppich 
    die Krümel zusammen. »So ungeschickt.« Sie schaute zu den beiden Männern auf und lächelte sie nichtssagend an. »Ungeschickt und dumm.«
    Als sie fast fertig war, holte sie tief Luft. Mit der linken Hand hob sie die letzten beiden Kekse auf, mit der rechten umfasste sie ein Büschel Teppichflor und zog daran. Man hörte ein leises Reißen, aber sie ließ die beiden Männer nicht aus den Augen und lächelte weiter. In einer fließenden Bewegung kippte sie zurück auf die Fersen, legte die Kekse auf den Teller, nahm ihre Tasse vom Tisch und setzte sich wieder auf das Sofa. Die rechte Hand mit dem Büschel Teppichfasern klemmte sie unter den linken Arm.
    Die beiden Männer musterten sie schweigend. Unwillkürlich plapperte sie los, nur um das Schweigen zu überspielen. »Woher kommen Sie, Mr. Mabuza?« Sie hatte es ausgesprochen, ohne zu überlegen, was sie sagen sollte. Sie zwang sich, seinem Blick standzuhalten und weiterzulächeln. »Tig wird’s Ihnen bestätigen«, sagte sie und bemühte sich um einen ruhigen Ton. »Ich bin unglaublich neugierig. Tut mir leid.«
    »Das muss es nicht.« Mabuza neigte den Kopf und lächelte höflich. »In diesem Hause sind Entschuldigungen nicht notwendig. Ich bin aus Südafrika. Danke, dass Sie danach fragen.«
    »Aus Südafrika?«
    »Kennen Sie es?«
    Ein Bild kam ihr in den Sinn. Ein Bild von einem dunklen, eiskalten Gewässer. Menschliche Schreie, die durch die Wüstenluft gellten. »Nein«, sagte sie leise. »Eigentlich nicht.«
    »Ich weiß, was Sie denken.« Seine Augen wirkten leicht gelblich um die Pupillen, als hätte er die Gelbsucht.
    »Ach ja? Und was denke ich?«
    Mabuza lachte. »Sie denken, dass ich schwarz bin. Sie denken, die einzigen Südafrikaner, denen Sie begegnet sind, sind weiß, und jetzt sitze ich hier in Lebensgröße vor ihnen und bin schwarz.« 

    »Das stimmt.« Sie wandte den Blick nicht von ihm ab. »Genau das habe ich gedacht.«
    »Ich bin ein südafrikanischer Schwarzer mit viel Glück, glauben Sie mir.«
    Er starrte sie auf eine Weise an, die ihr Unbehagen verursachte. Es war, als hätte er beobachtet, wie sie die Fasern aus dem Teppich rupfte, und wollte ihr jetzt Angst einjagen, damit sie etwas sagte. Langsam begann er zu reden, ohne sie aus den Augen zu lassen, wie um seinen Worten besonderen Nachdruck zu verleihen. Anfangs verstand sie gar nichts, weil der dröhnende Puls in ihren Ohren seine Stimme übertönte, aber nach und nach begriff sie, dass er ihr seine Geschichte erzählte: Er sei in Johannesburg geboren, und als die Bohrfirma, bei der er arbeitete, nach außen ein gutes Bild vermitteln und die Quote erfüllen wollte, um Teil des neuen Südafrika zu werden, habe sie ihr Personal durchforstet, einen altgedienten Staplerfahrer genommen und ihn schnell und trickreich befördert, bis er zum CEO ernannt und nach Kapstadt versetzt wurde. Gift Mabuza hatte in den drei Jahren als CEO nicht eine einzige Entscheidung getroffen. Er hatte seine Zeit in einem eichengetäfelten Büro im Schatten des Tafelbergs verbracht, Internetpoker gespielt und Schecks unterschrieben, bis der ganze Betrug von der Presse aufgedeckt worden war. Dann hatte er seine Abfindung kassiert, war nach Großbritannien gegangen und hatte mit dem, was er gelernt hatte, das Moat eröffnet.
    »Und jetzt«, fuhr er fort, »Flea, meine neue Freundin, sagen Sie mir, was Sie über mein Land wissen.«
    »Sehr wenig.«
    »Wissen Sie, mich beschäftigt die Frage, was um alles in der Welt die englische Polizei über mein Land denkt.«
    »Wie bitte?«
    »Bei meinem Restaurant ist etwas Schreckliches passiert – Sie haben es sicher in den Nachrichten verfolgt. Die Polizei vernimmt mein Personal, und sie hat mein Geschäft ge- 
    schlossen. Nicht einmal ich selbst darf hinein, sagt man mir. Ich weiß nicht, meine Freundin, welche Bestie oder welcher Unmensch diese Ruchlosigkeit an meine Tür getragen hat, aber ich lebe lange genug in dieser Welt, um zu erkennen, dass eine Verleumdung dahintersteckt: Man will mich sabotieren.« Er spreizte die Hände und streckte sie aus.

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