Ritualmord
ihre Augen sich an das Licht gewöhnt hatten, aber dann sah sie, dass der Raum eingerichtet war wie eine englische Pension: Pferdegeschirr aus Messing an den Wänden, violetter Teppichboden, geblümte Polstersofas mit Schutzbezügen auf den Armlehnen, bestickte Sofakissen, aufgeschüttelt in einer Reihe nebeneinander. Fransenbesetzte Lampenschirme, eine billige Reiseuhr auf dem Fernseher, zwei Spaniels aus Porzellan zu beiden Seiten des Kaminsimses, dazwischen ein Holzkruzifix auf einem kleinen Sockel. Ohne dass jemand sie dazu eingeladen hätte, ging sie zum Kamin und betrachtete das Kreuz: Es hatte etwas Seltsames an sich, etwas, das sie nicht genau fassen konnte.
»Gefällt es Ihnen?«
Sie schrak zusammen. Mabuza stand neben ihr; er trug ein Tablett mit Tassen und einer Kaffeekanne. Sein Blick wanderte zwischen dem Kruzifix und ihrem Gesicht hin und her. »Sehr schönes Holz, finden Sie nicht auch?«
»Ja.« Sie verzog keine Miene. »Sehr schön.«
»Ich verlasse das Haus in zwanzig Minuten.« Er stellte das Tablett ab und beugte sich darüber, um den Kaffee in dünne
Porzellantassen mit einem Rosenmuster zu gießen. Flea setzte sich auf das Sofa, und Mabuza stellte die Tasse vor sie hin. Tig ließ sich in einen Ledersessel sinken und legte den Kopf zurück und die Hände auf die Armlehnen. »Meine Frau und ich wollen zu einer Versammlung unserer Kirche«, erklärte Mabuza. »Deshalb, meine Freunde, können wir uns leider nicht den ganzen Abend unterhalten.«
»Das verstehen wir.« Tig zog die Combathose an den Knien hoch, beugte sich vor und stützte die Ellbogen auf. »Wir bemühen uns, Sie nicht allzu lange aufzuhalten.«
»Und eins möchte ich Ihnen gleich sagen«, fügte Mabuza hinzu. »Ich weiß nicht, warum Sie hier sind, aber ich fürchte sehr, dass dieses Gespräch eine Enttäuschung für Sie sein wird, mein Freund. Ausgerechnet heute muss ich um mein Geschäft fürchten.« Er legte die Hände wie zum Gebet zusammen und deutete mit den Fingern auf Tig. »Beim besten Willen, aber mein Engagement für wohltätige Zwecke wird eingeschränkt werden müssen.«
Flea saß schweigend da, während die beiden Männer über das Geschäftliche, die Drogenhilfe, redeten. Sie spielte mit dem Löffel auf der Untertasse und ließ den Blick umherwandern, zum Kruzifix und dann zu den Schränken und den Wänden, versuchte sich darüber klar zu werden, was sie an diesem Zimmer störte. Unter einer Bilderleuchte im Alkoven hing das Bild einer Katze, die sich das Gesicht putzte. Es war auf zusammengenagelte Bretter gemalt und wirkte? deplatziert. Sie studierte es eine Weile und fragte sich, ob es der Grund für ihr Unbehagen war. Vielleicht war es auch das Erkerfenster mit den schweren Vorhängen, die keinen Lichtschimmer herein- oder hinausließen. Oder die Tapete: gestreift bis zu der hüfthohen Sockelleiste, darunter ein Sockel in schlichtem dunklem Ocker, der vielleicht abwaschbar war. Er schien einen matten Glanz zu haben, und sie versuchte, die Stellen auszumachen, die gereinigt worden waren, sodass die Farbe jetzt hel-
ler wirkte. Und dann ging ihr ein Licht auf. Nicht die Wände oder die Vorhänge ließen die Alarmglocke schrillen – es war der Teppich.
Sie starrte ihn mit klopfendem Herzen an. Ein bisschen staubig sah er aus, und der Flor war zu hoch, um noch modern zu sein, aber ansonsten schien er nicht weiter ungewöhnlich. Bis auf eines: die Farbe. Ein dunkles, leicht rosa getöntes Violett. Die gleiche Farbe wie bei den Fasern an den Händen.
»Flea«, sagte Tig neben ihr scharf, und sie fuhr hoch. Mabuza stand vor ihr und hielt ihr einen Teller mit Keksen hin.
»Entschuldigung«, sagte sie mit trockenem Mund. »Ich bin…«
»Meilenweit weg«, beendete Mabuza den Satz. »So sagt man doch, oder?«
Sie starrte die Kekse und dann wieder ihn an. War das das Gesicht eines Mannes, der einen anderen Menschen in Stücke geschnitten hatte – hier in diesem Zimmer? »Ich verstehe nicht viel von Sozialarbeit und dem ehrenamtlichen Sektor. Ist nicht mein Ding.«
»Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Möchten Sie einen Keks?« Er deutete lächelnd auf den Teller. »Die hier macht meine Frau. Die anderen sind leider aus dem Laden.«
»Danke.« Sie beugte sich vor und balancierte die Untertasse mit der Tasse in einer Hand. Zögernd – sie dachte immer noch an den Teppich und an die schweren Vorhänge – legte sie den Finger auf den Tellerrand und drückte ihn sanft herunter. Mabuza versuchte ihn
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