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Ritualmord

Titel: Ritualmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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das Blut abgenommen wurde.«
    »Es gibt ein Video?«
    »Ach was. Das hat er wahrscheinlich nur so gesagt. Ich denke, wenn es das gäbe, wäre es so was wie ein Snuff Movie, oder? Wo einer umgebracht wird. Und ich glaube nie im Leben, dass es Snuff Movies wirklich gibt.« Nachdenklich kratzte sie sich die Nasenspitze. »Was meinen Sie denn? Sie sind Polizist. Haben Sie schon mal ein Snuff Movie gesehen?«
    »Nein«, entgegnete Caffery leise. »Zumindest keins von der Art, von der Sie reden.«
    Sie lächelte. Als ihre Lippen sich öffnen wollten, hielt der Lippenstift sie einen Sekundenbruchteil länger als natürlich zusammen; erst dann platzten sie auseinander und entblößten makellose Zähne. »Ich wette, Sie haben im Lauf der Zeit schon einiges gesehen. Ja, darauf wette ich.«
    Caffery veranlasste, dass jemand aus Portishead kam und das Tongefäß abholte, und dann blieb er noch eine halbe Stunde bei Rochelle und stellte ihr Fragen. Sie war höflich und hilfsbereit, aber er war nicht auf den Kopf gefallen und wusste, woran sie die ganze Zeit dachte; er sah es daran, wie sie die Füße auf dem Sofa unter sich zog, wie sie mit den Fingernägeln beim Sprechen kleine Kreise auf ihr Schlüsselbein malte. In Gedanken ließ er 
    die Frage offen, ob er versuchen sollte, mit ihr ins Bett zu gehen. Er sah es entspannt - entweder er tat es, oder er tat es nicht. So ergab es sich, dass er am Ende des Gesprächs zu dem Schluss kam, sie gefalle ihm jetzt ein bisschen besser als am Anfang, und den Dreck, den er ihr ins Haus bringen würde, habe sie nicht verdient. Also ließ er den Gedanken fallen. Er stand auf und bedankte sich bei ihr. Sie befanden sich schon fast an der Haustür, und er spürte, dass sie verärgert war, weil er keinen Versuch unternommen hatte. Als er zögerte, wusste er, dass sie glaubte, dies sei der Augenblick, da er es sich doch noch anders überlegen würde.
    »Ja?« Sie legte die Hand auf den Heizkörper in der Diele, schob ein Knie leicht vor und schwang die Hüfte zur Seite. »Haben Sie was vergessen?«
    Er betrachtete ihren Hals, die Armreifen an ihren gebräunten Armen, und schaute ihr dann wieder ins Gesicht. »Falls Sie sich fragen - ich finde Sie sehr hübsch.«
    Sie wurde rot. Das hatte er ihr nicht zugetraut. »Ach ja?«
    »Ja.«
    »Na, und was hab ich davon?« Sie strich sich das Haar hinter das Ohr, senkte den Blick und wartete auf seine Antwort. Als er schwieg, lächelte sie. »Möchten Sie - äh - noch auf einen Kaffee bleiben?« Sie drehte das Knie ein wenig weiter zum Heizkörper und spreizte das Bein ab. »Oder ein Bier? Ich hab welches im Kühlschrank.«
    Er warf einen Blick auf ihren Oberschenkel in der Jeans und dann auf die manikürte Hand auf dem Heizkörper. Sie sei Nagelpflegerin, hatte sie ihm erzählt, und mache viel mit Acryl. Eine gute Acryl-Modellage sei ihrer Meinung nach so sexy wie kaum etwas, das eine Frau aufwenden könne, um einem Mann zu gefallen.
    »Danke, aber ich muss passen.« Er nahm seine Schlüssel aus der Tasche. »Betrachten Sie es nicht als versäumte Gelegenheit.«  

    »Nicht?«
    »Ganz und gar nicht. Sie sind eher glücklich davongekommen.«
    29
    16. Mai
    Flea hatte keine Ahnung, wie der Ibogain-Trip verlaufen würde. Was wäre, wenn sie auf die Idee käme, einen Spaziergang zu machen oder - schlimmer noch - Auto zu fahren? Sie musste sich einschließen, und so hatten sie vereinbart, dass Kaiser warten würde - nicht da, wo sie jetzt saß, auf dem Sofa in seinem großen, unordentlichen Wohnzimmer, sondern in Hörweite, in der Küche oder im Arbeitszimmer. Er hatte die Plastikplane vor der Tür hochgerollt, damit er sie hören konnte, und drei elektrische Heizstrahler vor dem Sofa aufgestellt, um die Kälte in Schach zu halten. Jetzt hörte sie, wie er in seinen ausgelatschten Pantoffeln nebenan herumschlurfte.
    Das Ibogain einzunehmen glich dem Kauen auf einem bitteren Stück Süßholz: Ein faseriger Wurzelklumpen ließ ihre Kiefergelenke schmerzen und brachte sie zum Würgen. Als sie fertig war, setzte sie sich auf Kaisers Sofa und wartete. Lange nippte sie an einem Glas Wasser und fuhr mit der Zunge über die Rückseite ihrer Zähne, um das pelzige Gefühl loszuwerden.
    Draußen auf dem verwahrlosten Feld vor dem schmutzigen Fenster schien die Sonne auf Löwenzahn und Winden. Selbst bei Tag war von diesem Hügel aus nicht viel zu sehen - nur die Wipfel der Bäume in den Mendip Hills, dem Land 
    neolithischer Geister, mittelalterlicher Kathedralen und

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