Ritualmord
schauen, man sieht die Lottozahlen oder so was. Und das Schlimmste ist: Zwei Wochen nachdem er das verdammte
Ding bekommen hatte, klappt es plötzlich, und er gewinnt. Genau wie er es gesagt hat. Fast einen Tausender. Ich krieg irgendwie weiche Knie. Und er: >Das ist toll, ich werde Suppe daraus kochen. Die trinke ich und kriege noch mehr Macht.< Und ich: >Kommt nicht in Frage, Kwanele. Auf keinen Fall.< Also kocht er keine Suppe daraus, aber er nimmt das Ding auch nicht aus dem Auto. Bloß, dann habt ihr es ihm abgenommen, und es stellt sich raus, dass es überhaupt kein Geier ist. Ich hab mich nass gemacht vor Lachen. Können Sie sich vorstellen, oder?«
»War das der einzige Aberglaube, den er aus seinem Land mitgebracht hat?«
»Du lieber Gott, nein. Er hatte alles Mögliche. So ein Stückchen Delphinschwanz an einer Goldkette um den Hals. Nur ganz klein.« Sie hob die Hand und zeigte ihm, wie groß: eine Lücke von gut zwei Zentimetern zwischen den dick lackierten Nägeln von Daumen und Zeigefinger. Ihre Armreife stießen klingelnd aneinander, als sie an ihrem gebräunten Arm herunterrutschten. »Er sagt: >Das ist für die Geselligkeit<, und als ich ihn frage, wieso ein Delphin, weil ich Delphine doch liebe, erzählt er mir, dass Delphine doch immer im Rudel schwimmen und dass dieser Firlefanz irgendwie dafür sorgt, dass er auch immer in einem Rudel schwimmt. Ich bin fuchsteufelswild, weil ich Delphine liebe. Also ich...« Sie hob die Hand so, dass die Handfläche auf den imaginären Diamini deutete, und legte empört den Kopf schräg. »>Entweder ich oder dieses Amulett, Kwanele.<« Seufzend ließ sie die Hand sinken, halb lächelnd, halb genervt. »Und man hört ja all diese Geschichten, nicht wahr? Wie die Schwarzen in Südafrika unterdrückt werden oder so. Aber wenn man einen wie Kwanele trifft, kann man ehrlich nicht anders - man denkt, ja, verdammt, dich würde ich auch unterdrücken, Junge, bei dem Stuss, den du da redest. Ich meine - Delphine, um Himmels willen. Was haben sie ihm denn getan?«
Sie stand auf, ging zu der langen, niedrigen Fensterbank, die sich um den Wintergarten herumzog, und hob ein mit geometrischen Mustern verziertes Tongefäß auf. Es war ungefähr so groß wie eine große Pampelmuse und hatte einen kleinen Deckel, den sie mit spitzen Fingern abnahm. »Das hier hat er sich letzten November besorgt, als er sich einbildete, dass ihn ein Teufel verfolge.« Sie kam herüber und hielt Caffery das Gefäß auf der flachen Hand entgegen. Er spähte hinein. Es war dunkel und fleckig. »Sollte ein Zauberamulett sein. Zur Abwehr. Er sagte, für eine Frau sei es ja okay, sie brauche nur mit dem Tokoloshe zu schlafen, um ihn zu stoppen, aber ein Mann, tja, für den sei er schwerer loszuwerden.«
»Wen loszuwerden?«
»Den To-ko-loshe. Fragen Sie mich nicht, wie man das buchstabiert. Irgendein afrikanisches Wort, oder?«
»Was ist der Tokoloshe?«
»Der Name des Teufels, der angeblich hinter ihm her war. Hat sich ins Hemd gemacht wegen diesem Tokoloshe. Er sagte, er würde alles tun, um ihn zu stoppen.« Sie legte den Deckel wieder auf das Gefäß. »Ich hab diesen Topf behalten. Er gefällt mir.« Sie hielt ihn hoch und betrachtete ihn bewundernd. »Hübsch, nicht? Ich mag diesen ethnischen Kram.«
»Kann ich ihn mir ansehen?«
Sie reichte ihn ihm. Er wog ihn in beiden Händen. Er war schwer und merkwürdig warm, als hätte er auf der Fensterbank die Frühlingssonne eingefangen. Er nahm den Deckel ab.
»Was sind das für Flecken?«
»Blut. Das muss ein Mann dem Tokoloshe opfern. Eine Schale voll Blut.«
Caffery blickte auf. »Blut?«
»Nur Hühnerblut oder so was«, antwortete sie. »Nach einem Tag hat es erbärmlich gestunken, und ich hab gesagt, er muss es in den Garten stellen. Am nächsten Morgen lag der Topf auf der Seite, und das Blut war verschwunden. Wir dachten uns,
dass nachts ein Tier da gewesen war. Das oder der Hund.« Der Dobermann lag jetzt blinzelnd in einem Flecken Sonnenlicht. Sie warf ihm einen zweifelnden Blick zu. »Natürlich hat Kwanele mir erzählt, es sei Menschenblut, um mir Angst einzujagen, aber ich sage nur, ja, ja, und woher hast du Menschenblut? Von da, wo du auch deinen sogenannten Geier gekriegt hast?«
»Er hat gesagt, es sei Menschenblut?«
Sie schnaubte. »Ja, sonst noch was? Aber Kwanele? Er war hundertprozentig sicher. Hat ein Scheißgeld dafür bezahlt und sagt, er weiß, dass es welches ist, weil er ein Video gesehen hat, wie
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