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Ritus

Ritus

Titel: Ritus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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wissen, ich traf auf meinen Reisen niemanden wie Euch und Eure unglückseligen Söhne. Es steht aber fest, dass wir nun mindestens zwei Gründe haben, das Weibchen zu erledigen.« Er leerte seinen Becher. »Doch was macht Ihr, wenn der Trank versagt?«
    Jean ballte die Fäuste. »Er darf nicht versagen, Monsieur Malesky.«
    »Nehmen wir es nur einmal an«, beharrte der.
    »Dann … muss ich mir etwas einfallen lassen«, wich Jean aus. »Meine Söhne wurden schuldlos zu Kreaturen der Hölle, und ich lasse nichts unversucht, sie von diesem schrecklichen Schicksal zu befreien, ohne ihnen das Leben zu nehmen.«
    Malesky lächelte ihm aufmunternd zu. »Ich bin kein Freund von Hexerei und schwarzer Magie, aber in diesem Fall wünsche ich, dass der Trank die erhoffte Wirkung besitzt.« Er stand auf und brühte den Kaffeesatz ein weiteres Mal auf. »Was wisst Ihr über die Werwolfjagd, Monsieur Chastel?«
    »Man benötigt Silber, um sie zu töten.«
    »Und?«
    »Mehr weiß ich nicht.«
    »Mon dieu! Dafür, dass Ihr nicht auf Gott vertraut, steht er Euch ziemlich gut bei! Ich kannte erfahrene Jäger, die trotz aller Vorbereitungen von den Wandelwesen zerrissen wurden.« Er prostete ihm zu. »Gebt gut Acht, was ich Euch sage: Silber verwundet und tötet sie wie ein gewöhnliches Tier, weil Silber das Metall des Mondes ist. Der Mond hat Macht über sie, zwingt sie in den Nächten des Vollmonds, sich zu verwandeln, und sie können nichts dagegen unternehmen. Die Wahrheit bricht aus ihnen heraus. Das ist für unsereins die beste Zeit der Jagd. Ansonsten können sie sich nach Belieben verwandeln, wie es ihnen in den Kram passt.« Er pochte auf seinen Gürtel, wo er ein langes Messer trug. »Lasst Euch schnellstens einen Dolch aus Silber anfertigen, Monsieur. Für den Nahkampf. Ansonsten habt Ihr bald das Nachsehen. Ihr werdet an Eurem Sohn bemerkt haben, dass ihre Wunden heilen. Und um sicher zu gehen, könnt Ihr Klinge und Kugeln vergiften. Destilliertes Aconitum lässt ihnen das Blut in den Adern stocken.«
    Jean lauschte gebannt. »Und wie erfährt man solche Geheimnisse, Monsieur Malesky? Wie viele gibt es von den Kreaturen?«
    »Ich lese viel, das sagte ich Euch bereits«, gab der grauhaarige Mann grinsend zurück. »Und ich habe bei meinen Jagden viel ausprobiert. Es sei Euch gesagt, dass nicht jedes empfohlene Mittel gegen jedes dieser Wandelwesen taugt. Ihre Zahl … mmmh …«, er zuckte mit den Achseln, »da bin ich überfragt, aber zusammen mit Eurem Abschuss sind es dreiundzwanzig weniger.« Er lachte. »Was müsst Ihr noch wissen, wenn wir die Bestie jagen?«, überlegte er laut. »Die Schwierigkeit ist die Vielzahl der Legenden, die sich um sie ranken.«
    Er stockte plötzlich, ließ seinen Blick kurz zum Fenster gleiten und grinste dann breit. »Ich kenne hunderte ihrer Eigenschaften«, sprach er amüsiert weiter. »Zum Beispiel, dass sie garantiert nicht so aussehen wie Äbtissinnen, die einen zweiten Schleier aus Schnee genommen haben und deren Zähne so laut klappern, dass sie sich dadurch verraten.« Er deutete mit dem Finger auf das Fenster. »Holt sie herein, bevor sie steif wie ein Brett wird.«
    Wie ein Echo auf seine Worte klopfte es zaghaft an der Tür. Jean sprang erschrocken auf, öffnete, und herein trat Gregoria, deren schwarzer Mantel von oben bis unten mit Schnee bedeckt war. Sie zitterte am ganzen Leib.
    »Bonsoir, messieurs«, presste sie mit Mühe hervor.
    Der Wildhüter nahm ihr den Mantel ab und schob ihr einen Stuhl vor den offenen Kamin. Dankbar setzte sie sich vor die Flammen und bekam wenig später von Malesky aufgebrühten Kaffee gereicht. Beinahe hätte sie ihn verschüttet, so steif gefroren waren ihre Finger.
    »Wohl eher bonnenuit! Was treibt Euch dazu, bei einem ausgewachsenen Sturm durch die Nacht hierher zu kommen, ehrwürdige Äbtissin?«, wollte der Moldawier wissen und täuschte große Besorgnis vor. »Ist etwas geschehen? Hat die Bestie sich gerührt?«
    Jean betrachtete sie misstrauisch. Ihr unvermitteltes Auftauchen erschien ihm mehr als merkwürdig – noch dazu hier, in diesem abgelegenen Haus, das nur wenige kannten –, und der Verdacht, dass die Äbtissin etwas über die Bestie wusste, war noch nicht aus der Welt geschafft worden.
    »Es gab einen Vorfall in der Pilgerkapelle … es wurde geschossen. Wir fanden Blut auf dem Boden und dachten uns, dass … dass einer der Messieurs Chastel die Bestie verfolgte und stellte.« Sie nahm einen Schluck Kaffee. »Es ist an der

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