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Ritus

Ritus

Titel: Ritus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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wehren, und ich danke der höheren Macht, dass sie mich meine Muskete mit ins Gotteshaus nehmen ließ, anstatt sie vor dem Portal gegen die Wand zu lehnen.«
    Jean kehrte zurück, bestätigte Maleskys Einschätzung, was das Ausmaß des Schneesturms anging, und wies ihm die Kammer seiner Söhne zu. »Ihr, Äbtissin, werdet hier vor dem Kamin schlafen, ich leiste Monsieur Malesky Gesellschaft. Ihr seid also ungestört.«
    Malesky nickte ihnen zu und klopfte die Pfeife aus. »Die Nacht war anstrengend genug, ich verabschiede mich. Ruhet sanft, ohne zu sterben.« Er zwinkerte und verschwand durch die Tür in Pierres und Antoines kleines Zimmer.
    Jean hatte gehofft, dass sein Bekannter als Erster die Stube verließ. Er legte ein Scheit Holz in die Flammen und betrachtete versonnen, wie das Feuer über die Rinde tanzte, die gleich darauf in Brand geriet und knisterte.
    »Wisst Ihr etwas von einem Gegenmittel?«, stellte er Gregoria unvermittelt auf die Probe. »Kann man den Unglücklichen davon befreien, als Loup-Garou zu leben, ohne ihn töten zu müssen? Angenommen es gelänge uns, ihn lebend zu fangen, wäre es aus Eurer Sicht nicht der grandiosere Triumph über das Böse, wenn wir ihn und seine Seele retten?«
    Gregoria schwieg lange. »Ich habe in den Unterlagen des Klosters einen Zettel gefunden, auf dem von einem Trank die Rede ist, mit dem man die Rückverwandlung vornehmen kann. Angeblich.« Sie schaute ihn an. »Aber es ist … nichts Christliches. Es ist schwarze Magie, und solche darf nicht angewendet werden. Es ehrt Euch, dass Ihr den Unglücklichen, der vom Übel besessen ist, retten wollt, aber … aber er ist unwiderruflich verloren. Ich möchte dabei sein, wenn Ihr ihn gefunden habt, an seiner Seite beten, um seine Seele zu retten und sie nicht dem Bösen zu überlassen.« Sie sah ihn durchdringend an. »Versprecht Ihr mir, mich sofort rufen zu lassen, noch bevor jemand anderes von Eurem Jagderfolg erfährt?«
    Jean entspannte sich. Sie hatte die Wahrheit gesagt! Er nahm ihre Hand und drückte sie feierlich. »Das ist ein Gelöbnis, das ich gerne leiste.«
    Einen Moment lang saßen sie so vor einander. Der Lichtschein des Feuers gab ihrem Antlitz etwas Unwiderstehliches. Jean spürte, wie eine andere Macht seinen Körper zu übernehmen schien, sie überwand die Vernunft und befahl ihm, sich nach vorne zu beugen und ihre Lippen zu küssen.
    Gregoria zog den Kopf zurück, aber er ließ sie nicht entkommen und fand ihren Mund. Jean versuchte, sie zu umarmen, doch sie wich zurück.
    »Monsieur Chastel! Nein!«, sagte sie und versuchte, entschlossen zu wirken. »Ich habe mich Gott gegeben.«
    »Verzeiht mir«, stammelte er betroffen und rückte von ihr weg, ohne ihre Hand loszulassen. »Ich weiß nicht, was mich überkommen hat.«
    »Ich schon«, sagte Gregoria und lächelte ihn traurig an. Sie war verwirrt. Seine Lippen waren entgegen ihrer Vermutung weich und warm gewesen und hatten einen Funken in ihr entzündet, aus dem kein Feuer werden durfte. Um ein Haar hätte sie sich vergessen. »Es darf sich nicht mehr wiederholen, und ich bitte Euch, meinen Wunsch zu respektieren.« Sie legte für einen kurzen Augenblick die Hand auf seine Wange, so als wolle sie ihn streicheln, küsste ihn dann aber nur kurz, wie eine Mutter, auf die Stirn. »Seid mir weiterhin ein guter Freund und geht nun in Euer Bett, Monsieur Chastel.« Sie nahm den Rosenkranz von ihrem Hals und bereitete sich auf das Gebet vor.
    Er erhob sich. »Ich werde … ich werde dir mehr als ein guter Freund sein«, versprach er rau. Er lächelte und ging in die Kammer seiner Söhne, um sich auf Pierres Bett zu legen. Malesky hatte sich Antoines Lager ausgesucht, schnarchte leise und schlummerte tief und fest, das Heulen des Sturms und das heftige Rütteln an den Ecken des Hauses kümmerten ihn nicht.
    Jean schob es auf die belebende Wirkung des Kaffees, dass er selbst keinen Schlaf fand und Gregoria vor sich sah, ganz gleich, ob er die Lider schloss oder offen hielt. Er ahnte, dass es ihr ähnlich erging.

XXIV.
KAPITEL
    Kroatien, Plitvice, 18. November 2004, 08:01 Uhr
     
    Es war nicht schwer, in Lenas Krankenzimmer zu gelangen. Ausgestattet mit einem Arztkittel, einem Klemmbrett und einem Stethoskop marschierte Eric an dem Polizeibeamten vorbei, drückte die Klinke hinunter und betrat mit der größten Selbstverständlichkeit den Raum. Er hatte nicht einmal einen Ausweis zeigen müssen.
    Lena lag schlafend zusammen mit vier anderen Frauen in einem

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