Ritus
blumige, süße Düfte, die in der Nase klebten und die krampfhaft versuchten, ein Gefühl von Sommer zu verbreiten, obwohl sie mehr in Richtung erhitztes Gummibärchen tendierten.
»Nein, danke«, lehnte er lächelnd ab. Sie hatte sich Mühe gegeben und Freundlichkeit verdient. Als sie hinausraschelte, bemerkte Eric ihren letzten, eindeutig zu langen Blick. Das gleiche Verlangen. Er musste grinsen.
Der Kaffee schmeckte ausgezeichnet. Er trank ihn mit wenig Milch und einem halben Teelöffel Zucker, um den Geschmack vollständig zu öffnen. Mitten im Genuss, der die Ungeduld besiegt hatte, schwang die Tür auf und Laurentis trat ein. Ein Mittfünfziger, schlank, gut sitzender Anzug in gedeckter Farbe, soweit Eric das beurteilen konnte, Businesshaarschnitt und grelles Aftershave. Für normale Nasen mochte es ein teurer Designerduft sein – Eric empfand ihn einfach nur als schrill, laut, aufdringlich.
»Guten Tag, Herr von Kastell. Mein aufrichtiges Mitgefühl.« Laurentis hielt ihm die Hand hin.
Eric betrachtete sie abschätzend. Würde er sie schütteln, nähme er den Geruch an. Das musste nicht sein, und entschuldigend hob er die Tasse an. »Danke, Herr Laurentis.«
Der Mann setzte sich an seinen Schreibtisch und verzichtete auf den Handschlag. »Verzeihen Sie die Verzögerung. Die andere Testamentseröffnung gestaltete sich schwieriger.« Er lächelte verschmitzt. »Frau und Geliebte trafen aufeinander. Muss ich erwähnen, dass die hintergangene Gemahlin nichts von der zweiten Frau im Leben meines Klienten wusste?« Er bestellte sich ebenfalls einen Kaffee. »Fangen wir an, oder warten wir ein paar Minuten?« Seine Hände zogen die Schublade des Schreibtischs auf und nahmen einen in dunklen Filz eingebundenen Ordner heraus.
»Bis Ihr Kaffee da ist?«
Laurentis lachte leise, unaufdringlich und pietätvoll. Zu viel gute Laune war bei Testamentseröffnungen nicht angebracht. »Nein, Herr von Kastell. Bis Ihre Schwester eintrifft. Der Flug aus Avignon hatte anscheinend Verspätung.«
Erics Augenbrauen hoben sich. »Meine was ?«
»Ihre Schwester, Herr von Kastell.« Die Vorzimmerdame raschelte herein und servierte Laurentis den Kaffee.
Eric nieste, denn ihr Gummibärengeruch schlich sich erneut in seine Nase und folterte seinen Geruchsnerv. »Schwester«, sagte er leise. »Aus Avion.« Auch das Wiederholen half nicht dabei, das Erstaunen leichter zu verarbeiten.
»A-vig-non«, verbesserte Laurentis hilfsbereit. »Wussten Sie denn nicht … Es tut mir Leid, Herr von Kastell. Heute scheint ein Tag voller Überraschungen zu sein.« Dann sah er auf. »So, wie ich sehe sind wir nun vollständig.« Eric fuhr herum. Durch die offene Eingangstür trat eine Frau mit nackenlangen blonden Haaren. Sie trug einen sportlichen schwarzen Hosenanzug, flache Turnschuhe und eine Handtasche, in die der Mount Everest quer gepasst hätte. Eric schätzte sie auf vierundzwanzig Jahre.
»Bonjour, messieurs«, grüßte sie leicht außer Atem und ließ sich in den Sessel neben Eric fallen. »Mon dieu, excusez-moi, je suis en retard, je sais. Malheureusement … Merde!« Sie schlug sich an den Kopf. »Alors, je suis en Allemagne, n’est-ce pas?« Sie räusperte sich. »Verzeihen Sie die Verspätung, meine Herren. Aber ich hatte eine Autopanne. Verdammter Mietwagen.« Sie sprach mit starkem französischem Akzent und zündete sich eine Zigarette an, deren beißender Qualm die Blümchen aus Erics Nase drosch. »Kein Franzose natürlich. Mit einem alten Peugeot zwonullfünf wäre das nicht passiert. Den hätte ich noch selbst repariert.« Sie blies den Rauch gegen die Decke, legte ihre Beine übereinander und schaute frech in die Runde. »Alors, allez-y, je vous écoute.«
Eric lehnte sich langsam nach vorne und betrachtete sie unverhohlen, als befände er sich bei einer polizeilichen Gegenüberstellung. Er bemerkte in ihrem adretten Gesicht voller Schrecken tatsächlich eine Ähnlichkeit mit seinem Vater. Und mit sich, was nicht nur an der nahezu identischen Frisur lag. »Sie sind …?«, stellte er die Frage in den Raum.
»Oh. Verzeihen Sie mir.« Sie kramte in ihrer riesigen Handtasche, bis sie ihren Ausweis gefunden hatte und dem Testamentsvollstrecker vorlegte. »Justine Marie Jeanne Chassart, die Tochter des Monsieur von Kastell. Mein Vater schrieb meiner Mutter, dass er alles geregelt hat – Ihnen müssten entsprechende Unterlagen vorliegen?«
»Natürlich.« Laurentis nahm den Ausweis und notierte sich die Daten und
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